PRESSESPIEGEL

DIE ZÜNDHOLZFRAU / 2025

Franziska Mencz bleibt den Domfestspielen seit 17 Jahren treu. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 13.06.25

Vom Bremer Theater auf die Open-Air-Bühne 

Die etablierte Bremer Schauspielerin Franziska Mencz erzählt von ihrer Begeisterung für die Verdener Domfestspiele und der aktuellen Rolle als kaltherzige Fabrikantengattin.
 
Von Susanne Ehrlich
 
Franziska Mencz liebt die Domfest­spiele. Die Bremer Schauspielerin ist seit 2017 regelmäßig dabei. Diesmal muss sie als kaltherzig-berech­nende Ehefrau des Fabrikanten Willibert Stendel entdecken, dass die "Zündholz­frau" Klara Breden zu ihrer Rivalin ge­worden ist. Was macht das Verdener Open-Air-Theater für eine auf der Bühne, im TV und als Regisseurin viel beschäftigte Profi-Schauspielerin so attraktiv?

"Ich mag die Atmosphäre so sehr", lautet die schlichte Antwort. Als Hans König sie im Herbst 2016 gefragt habe, ob sie beim "Brennenden Mönch" mitmachen wolle, sei sie erst ein bisschen unsicher gewesen: "So ein großes Projekt, ein richtiges Spektakel mit über hundert Leuten – so etwas hatte ich noch nie zuvor gemacht und habe mich gefragt, ob das überhaupt etwas für mich ist." Trotzdem sagte sie zu, und schon beim ersten Kontakt mit den Domis war sie überzeugt: "Ich habe mich über das tolle Miteinander gefreut, über diese vielen verschiedenen Menschen, die hier zusammenkommen und sich mit Haut und Haaren hineinschmeißen – und am Ende entsteht so eine große eigene Welt!"

Erfolgreiche Zusammenarbeit

Mit Hans König hat sie schon öfter gearbeitet. 2021 und 2024 führte er Regie bei den Stücken "Wölfinnen" und "Die Töchter" am Bremer Theater, die er gemeinsam mit ihr und einer Schauspiel-Kollegin entwickelt hatte. "Ich arbeite gerne mit ihm. Die Inhalte, die er behandelt, haben für mich immer eine große Relevanz und außerdem schätze ich seinen Umgang mit den Menschen, mit denen er arbeitet."

Seine Herzlichkeit, seine Kommunikation auf Augenhöhe, der respektvolle Ton im Miteinander – all das übertrage sich auf das gesamte Ensemble. "Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass alle, die hier mitspielen, schauspielerisch gleichermaßen erfahren sind. Aber gerade das ist das Schöne zu sehen, dass wir alle miteinander arbeiten, dass wir im selben Boot sitzen."

Gegensätzliche Rollen

Als zölibatäre Liebschaft Cäcilie Jungblut im "Brennenden Mönch", als adelige Patronin Margarethe von Ahlden in der "Rebellischen Hexe" und nun als Eugenia Stendel, deren bisheriges Leben als angesehene und reiche Unternehmergattin aus den Fugen zu geraten droht, verkörpert sie sehr gegensätzliche Rollen – und diesmal wohl keine besonders sympathische. Eugenia ist übermäßig standesbewusst und dünkelhaft, sehr berechnend in ihren Beziehungen und unerbittlich hart in dem, was sie von Stendel fordert. Kann man diese Rolle trotzdem mögen? "Ja, auch wenn ich privat mit meiner Bühnenfigur keinen Kaffee trinken gehen würde und mich persönlich nicht mit ihr identifizieren kann, finde ich es sehr spannend, mich in sie hineinzuversetzen und im Spiel Gründe zu suchen, warum sie so geworden ist." Dabei könne sie an manchen Stellen sogar Mitgefühl entwickeln – aber sympathisch sei ihr Eugenia nicht: Eine echte Herausforderung für die Darstellerin.

Gut gefällt ihr die Zeitepoche, in der das Stück handelt, denn sich künstlerisch mit den Themen Arbeiter- und Frauenbewegung auseinanderzusetzen, ist für sie selbstverständlich. Mehrere Jahre war sie mit einer szenischen Lesung mit Musik als Rosa Luxemburg unterwegs. "Die war allerdings zur Zeit der 'Zündholzfrau' erst fünf Jahre alt", stellt sie klar.

Berufs- und Sinnkrise überwunden

Solche Lesungen sind ein Genre, in dem sie sich gern bewegt. Nach dem Studium in Ulm hatte die in Marbach geborene Mimin, die sich dennoch nicht als Ur-Schwäbin empfindet ("Meine Eltern stammen nicht von dort, sondern waren Zugereiste."), mehrere Jahre Engagements an festen Bühnen. "Aber dann bin ich in eine Art Berufs- und Sinnkrise geschlittert." Während einer Umorientierungsphase absolvierte sie mehrere Fortbildungen, unter anderem am Hamburger Institut für Gebärdensprache und am Camera Actors Studio in Berlin. Wie kommt eine Schauspielerin zur Gebärdensprache? "Ich war einfach neugierig, weil das eine Sprache ist, bei der der ganze Körper mitspielt." Dabei trete man gleichsam in eine ganz eigene Kultur ein: "Normalerweise funktioniert unsere Kommunikation stark über Hören und Sprechen. Hier funktioniert sie – auch mit all ihren grammatischen Elementen – über das räumliche Darstellen von Zusammenhängen. Dabei habe ich viel gelernt."

Seit vielen Jahren ist sie nun in der freien Bremer Theaterszene aktiv, war gerade parallel zu den Domfestspielproben mit einer Regie-Arbeit am Bremer Union-Theater beschäftigt und hat in zahlreichen Fernsehproduktionen bei ARD und ZDF mitgewirkt. "Ich mag Dreharbeiten sehr gern. Ich mag die besondere Art der Konzentration und freue mich jedes Mal, wenn ich für eine Rolle gecastet werde." Doch ebenso liebt sie es, ihre eigenen künstlerischen Ideen und Themen umzusetzen. 

 Liebespaar auf der Bühne und im echten Leben: Vania und Andreas Brendel. Foto: FOCKE STRANGMANN 

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 06.06.25

Grenzgänger der Liebe auf der Bühne und privat ein Ehepaar 

Bei den Domfestspielen spielen die Hauptdarsteller, die auch im echten Leben ein Paar sind, eine unerhörte Liebesbeziehung. Welche Herausforderungen es da gibt. 
 
Von Susanne Ehrlich
 
Große Liebe auf großer Bühne: Die beiden Hauptdarsteller der Domfestspiele 2025 können mit leidenschaftlichen Empfindungen überzeugen, denn sie sind auch im wirklichen Leben ein Liebespaar. Wenn sich mitten im Strudel der Ereignisse die unerhörte Liebesbeziehung zwischen dem verheirateten Fabrikbesitzer Willibert Stendel und der Zündholz-Arbeiterin Klara Breden entwickelt, ist Gänsehaut garantiert.

Vania und Andreas Brendel haben sich 2008 an der Schauspielschule Charlottenburg kennengelernt. "Wir waren beim Vorsprechen nacheinander dran", erinnert sich die Schauspielerin.
Seit 2010 liiert

Seit 2010 sind beide ein Paar. In Berlin haben sie viele gemeinsame Projekte gehabt, bei denen Vania auch ihre ersten Regiearbeiten ablieferte. Beide waren in der freien Schauspielszene aktiv und spielten gemeinsam in einer Band. Noch heute springt Vania als Pianistin und Sängerin gern in Andreas' Bremer Band Brendelson ein.

"Für uns ist es ideal, wenn wir die Arbeitsbereiche aufteilen, zum Beispiel, dass einer von uns Regie führt und der andere auf der Bühne steht", erklärt Andreas Brendel. "Konflikte sind selten, denn wir sind sehr ergänzend und genießen es, zusammen zu arbeiten." Gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung sind selbstverständlich. "Wenn wir selbst Stücke schreiben, lesen wir sie uns gegenseitig vor, und wenn wir Rollen lernen müssen, fragen wir uns ab."

Auftritte in Fernsehserien

Für beide ist es sehr wichtig, sich auf ihr jeweiliges Projekt zu fokussieren und es konsequent durchzuziehen. Dafür geben sie sich immer genügend Raum. "Disziplin ist alles", weiß Vania, die meist länger braucht, um ihre Arbeitsstruktur zu finden. "Andreas kann das sehr gut, und das ist mir eine große Hilfe." Dabei sei es ganz gleich, ob es um eine Theaterrolle, ein freies Projekt oder einen Filmdreh handle. Vania ist Leiterin und Gründerin des Theaters Alter Ego, eines freien Ensembles in Bremen und hat gleichzeitig in TV-Serien wie "Soko Wismar" mitgewirkt. "Auch Vorabend-Produktionen haben ihre befriedigenden Aspekte", findet sie – ganz davon abgesehen, dass man von künstlerischem Idealismus allein nicht satt werde. "Ich bin sehr dankbar, solche Rollen zu spielen. Es muss nicht immer hoch anspruchsvoll sein, sondern es macht auch Spaß, einfach zu unterhalten."

Ihr Ehemann ist weniger in TV-Produktionen zu sehen: "Ich habe mich in erster Linie der Bühne verschrieben." So schreibt und inszeniert er mit großem Erfolg Kindertheater-Stücke, veranstaltet Theater-Kurse und Schauspiel-Work­shops, ist mit szenischen Lesungen unterwegs und arbeitet als freier Regisseur und Autor.

Der Zufall half mit

Für beide ist es die erste Zusammenarbeit mit Hans König. Die Verbindung ist über Andreas Brendels Freund Helge Tramsen entstanden. Dieser, ein Kabarett-Partner Königs, habe erfahren, dass bei den Domfestspielen eine Rolle zu besetzen sei, und sprach den Regisseur darauf an: "Ich kenne da einen, der ist sicher interessant für dich." Kurz darauf war Brendel als Fabrikant und Theaterbesitzer Willibert Stendel eine der Hauptfiguren der Domfestspiele 2025. Dass er mit seiner Frau auf der Bühne steht, ist reiner Zufall. "Für die Rolle der Zündholzarbeiterin Klara Breden war meine Kollegin Paula Claußen vorgesehen, die aber aus gesundheitlichen Gründen ausfiel", erzählt Vania Brendel. "Da hat mich Hans zu einem Vorlese-Termin eingeladen, und das hat gepasst."

Riesiger Gebäudekomplex: Wo heute die Volksbank steht, befand sich früher das Wohnhaus von Willibert Stendel. Sabine Lühning (l.) und Karin Köster kennen die historischen Zahlen, Daten und Fakten. Foto: Vasil Dinev

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 30.05.25

Das Zeitalter der Zündhölzer 

Das diesjährige Freilichttheater am Dom hält eine explosive Mischung für die Zuschauer bereit. Die beiden Gästeführerinnen Sabine Lühning und Karin Köster wissen, was historisch belegt und was Fiktion ist.
 
Von Jörn Dirk Zweibrock
 
Karin Köster und Sabine Lühning stehen an der Verdener Volksbank an der Ecke Stifthofstraße/ Ostertorstraße und blicken in Richtung Wall. "Der gesamte Gebäudekomplex gehörte früher dem Verdener Großunternehmer Willibert Stendel", erzählen die beiden Gästeführerinnen. Und genau um den geht es im aktuellen Domfestspiel-Stück "Die Zündholzfrau". Vom 24. Juli bis zum 9. August wird Stendel, dargestellt von Andreas Brendel, auf der großen Freilichtbühne vor dem Verdener Gotteshaus wieder zum Leben erweckt. Während der Festspielzeit nehmen Köster und Lühning die Teilnehmenden an gleich mehreren Terminen zu den Schauplätzen des aktuellen Stückes mit.

Amüsement und Zerstreuung

"Stendel war der Sohn einer Schauspielerin", weiß Karin Köster und spannt anhand seiner Vita gleich den Bogen zu seiner Vorliebe für das Theater. So habe im Gebäude der heutigen Volksbank einst Stendels Wintertheater residiert, sein Sommertheater, das sogenannte Tivoli, hingegen in der Nähe des jetzigen Finanzamtes. "Ich habe in historischen Zeitungen nachgelesen und entdeckt, dass früher eine Kapelle nach der anderen am Wochenende in den Verdener Sälen gastiert hat", sagt Köster. 

In Zeiten, in denen es noch kein Fernsehen oder Internet gab, vergnügten sich eben nicht nur die Arbeiterinnen und Arbeiter aus Stendels Zündholzfabrik, sondern das gesamte Proletariat in seinen Theatern. Musste es auch, um wieder Kraft zu schöpfen und sich für die neue Arbeitswoche zu regenerieren, denn die war damals folglich lang und hart. "Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche lang mussten die Menschen einst malochen", rechnet Lühning vor. Umso verständlicher, dass sie, um Zerstreuung zu finden, gerne in den Lustspielhäusern der Stadt verweilten.

"Auf sage und schreibe 42 Vorstellungen in drei Monaten brachten es die Ensembles, die gleich für mehrere Wochen in Verden einquartiert wurden, zu der Zeit", hat Gästeführerin Karin Köster recherchiert. Obwohl es damals noch keinen Strom gab, nutzte Stendel, der den bürgerlichen Aufsteigertypus seiner Zeit wie kein anderer verkörperte, bereits Batterien für die Beleuchtung seiner Theatersäle.

Bahnbrechende Erfindung

Der Vater des Verdener Großunternehmers Willibert Stendel sei übrigens Gastronom gewesen. Und so verwundert es nicht, dass sich neben seinen Privatgemächern im überdimensional großen Gebäudekomplex zwischen Stifthofstraße und Wall auch eine Tütenfabrik (Verpackungsbranche), ein Verlag, eine Druckerei und eben auch die elterliche Gastwirtschaft befanden. Die eigentliche Zündholzfabrik hatte ihren Sitz hingegen ab 1866 in der Nasse Straße in Verden.

Bei ihren Recherchen für die Stadtführungen zu den Schauplätzen des aktuellen Festspielstückes sind die beiden Gästeführerinnen darauf gestoßen, welch bahnbrechende Erfindung doch die Entdeckung der Zündhölzer um 1830 für die Menschen gewesen sei. "Fortan war Feuer für sie immer, überall und sicher verfügbar." Viele Verdenerinnen und Verdener werden sich noch an die legendären Welthölzer erinnern, die bedingt durch das damalige Zündholz-Monopol bis in die Achtziger hinein in nahezu jeder heimischen Wohnstube zu finden waren.

Köster und Lühning schwärmen selbst immer noch von der Qualität der Welthölzer, die im Gegensatz zu den heutigen Billigvarianten weder abgebrochen seien, noch einmal nicht gezündet hätten. Die weißen Phosphor-Fässer, die beim Verdener Freilufttheater unter anderem das Bühnenbild zieren werden, greifen die beiden Gästeführerinnen natürlich auch in ihren Rundgängen auf. "Das in den Hölzern enthaltene Phosphor war gesundheitsschädlich, konnte beispielsweise Kiefernekrosen hervorrufen", erläutert Köster. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, damals gehörte Stendels Zündholzfabrik bereits der Vergangenheit an, sei es dann letztendlich verboten worden.
Beginn der Mobilität

Beim Betrachten des aktuellen Stückes, das im Jahr 1878 spielt, können die Zuschauer jedenfalls eine kleine Reise in die Vergangenheit machen – in die Zeit der Industrialisierung und des Sozialistengesetzes. Autos fuhren zu diesem Zeitpunkt in Verden natürlich noch nicht, aber es gab schließlich schon clevere Tüftler, die sich Gedanken über alternative Fortbewegungsmittel machten.

Ob es die aufständische Arbeiterführerin Klara Libschütz, Stendels spätere Geliebte, damals wirklich gab, lässt sich anhand von Kösters und Lühnings gesichteten Quellen nicht belegen, aber gerade dieser besondere Mix aus historischen Fakten und ein wenig Fiktion sei ja auch das, was den besonderen Charme des norddeutschen Oberammergaus ausmache.

Hans König

Regisseur Hans König probt für die Verdener Domfestspiele in der Turnhalle in Intschede den Trauerzug. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 23.05.25

Hans König prägt die Theaterproduktion als Autor und Regisseur

Die Domfestspiele sind ohne Hans König kaum vorstellbar. Seine Kreativität und sorgfältige Vorbereitung sind entscheidend für den Erfolg des Projekts. Entsprechend groß ist seine Bedeutung für das Ensemble. 
 
Von Susanne Ehrlich
 
ereits zum fünften Mal ist er das Gesicht der Verdener Domfestspiele: Hans König hat sich als Autor und Regisseur des Mammutprojekts in die Herzen der Verdener eingeprägt und ist ganz entgegen der leicht dahingesagten These, dass niemand unersetzlich sei, für das hundertköpfige Ensemble, für die Mitarbeiter hinter der Bühne und das Leitungsteam Fixpunkt und wichtigste Instanz.

Mit 17 stand der Bremer Schauspieler, Regisseur, Autor und Mitbegründer mehrerer erfolgreicher Kammer-Ensembles zum ersten Mal auf der Bühne. Als Autor, Darsteller und Regisseur arbeitet er seither in verschiedenen Produktionen im Raum Bremen und der gesamten Republik. Seine Themen sind Politik und Zeitgeschichte, Satire und Philosophie. Mit jeweils mehr als 200 Schülern in Bremer Brennpunktschulen hat er Theaterprojekte geleitet, in denen die Schüler und Schülerinnen sich in Schauspiel und Gesang qualifizieren und auch am Bühnenbau mitwirken konnten. Aus seiner Zeit als künstlerischer Leiter im Kulturbahnhof Vegesack und in der Bremer Schwankhalle bringt er einen reichen Erfahrungsschatz mit.

Lieblingsprojekt Domfestspiele

Seit er im Jahr 2011 erstmals Autor und Regisseur der Domfestspiele wurde, sind sie für ihn zu einem Lieblingsprojekt geworden. Er habe das Gefühl, dass er hier genau richtig sei mit dem, was er könne, beschreibt König seine Motivation: "Das ist einzigartig, dass hier seit so vielen Jahren ein Theaterprojekt existiert, das von der Bevölkerung, von der Stadt, von den politisch Agierenden, der Wirtschaft und dem Handwerk getragen wird." So viel und umfassende Unterstützung – das könne man gar nicht selbst aufbauen: "Wo sonst kann ich ein solches Projekt realisieren, mit einer halben Million Budget, mit so vielen Mitwirkenden und mit einem Stück, das ich selbst schreiben und inszenieren kann? Das ist für mich ein großes Geschenk."

Anerkennung und Zuneigung

Ebenso beschenkt fühlt sich sein Ensemble. Hört man sich unter den Domis um, hört man nur Worte der Anerkennung und Zuneigung. Darstellerin Susanne Fricke bringt es auf den Punkt: "Was Hans so besonders macht, das ist seine Fähigkeit, wertschätzend zu sein, die Begabungen von jedem von uns zu erkennen und alle wichtig zu nehmen."

König freut sich auf seine bescheidene Art: "Wenn die Leute das beim fünften Mal noch sagen, das bedeutet viel für mich." Doch auch wenn die Domfestspiele ein Event von Verdener Bürgern für Verdener Bürger sind, möchte er den Begriff "soziokulturelles Projekt" nicht einfach so stehen lassen: "Dabei steht oft der Weg zum Ziel im Vordergrund, doch für mich ist gerade das Ziel sehr wichtig. Es reicht mir nicht, wenn ich mit Leuten 'kulturpädagogisch' arbeite, sondern das Ergebnis muss am Ende total überzeugend sein, und damit wir das schaffen, müssen alle sehr viel einbringen: Kraft, Energie, Zeit und die Bereitschaft, sich zu fordern." Und all das müsse für das gesamte Ensemble gelten.

Aus seiner Arbeit in professionellen Bezügen kennt er ein ganz bestimmtes Gefühl, das sich bei erfolgreicher Zusammenarbeit einstellt: "Das ist, als ob ein Musiker sein Instrument ganz einzigartig spielt, und der Komponist hört sofort, dass das perfekt zu seinem Werk passt. Und diesen Moment, wo ich denke 'wow, das ist es', den suche ich bei jedem Menschen, mit dem ich arbeite." Er sieht es als seine Aufgabe, jeden Einzelnen im Ensemble dahin zu führen, dass er selbst mit sich zufrieden sein und sich erfolgreich ins große Ganze einbringen kann. "Ich glaube daran, dass jeder besondere Talente und Fähigkeiten hat und es darauf ankommt, diesen Punkt zu finden. Das ist mein künstlerisches Konzept, sozusagen mein Arbeitsmittel." So inspiriert er die Menschen, mit denen er arbeitet, das Ihre zu finden.

"Die Figuren können sich dabei verändern, weil ich auf lebendige Leute treffe, denen ich nicht einfach eine Rolle aufoktroyieren möchte." Vielmehr entwickle er die Figuren mit ihnen gemeinsam: "Da ist die Tür ganz weit offen, wir arbeiten miteinander, und die Leute lernen ganz viel während der Proben." Durch den Input der Darsteller entstehen sogar hin und wieder Nebengeschichten, die zu neuen Szenen führen. Und das sei immer möglich, denn zum einen sei er ja selbst der Autor, und zum anderen erlaube die breite Bühne entlang der Dom-Mauer auch Nebenhandlungen: "Sie verleiht dem Stück einen filmischen Charakter, bei dem viele Din­ge zur selben Zeit geschehen können."

Verantwortung fürs große Ganze

Doch auch wenn er seine Verantwortung für das große Ganze sehr ernst nehme, habe er durchaus ein Künstler-Ego. "Ich kann viel von meinen künstlerischen Vorlieben und Fähigkeiten unter einen Hut bringen, ich schreibe das Stück, komponiere die Szenenmusiken und mache die Choreografien." Das sei sozusagen ein Gesamtkunstwerk und gebe auch ihm selbst sehr viel Befriedigung. 

Uta Sieber (l.) und Susanne Fricke gehören schon lange zum Team der Domfestspiele.
Foto: Michael Galian

Auch Mi­chael Bauckner (v. l.), Luisa Ahrens und Horst Menzen haben schon an einigen Produktionen mitgewirkt.  Foto: Susanne Ehrlich 

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 16.05.25

Von den einfachen Anfängen zur professionellen Theatertruppe 

Die Domfestspiele Verden sind mehr als nur Theater. Sie sind eine Gemeinschaft, die sich jedes Jahr aufs Neue begeistert zusammenfindet. Einige Altgediente berichten.
 
Von Susanne Ehrlich
 
Sie lassen sich die Haare abrasieren oder einen Bart wachsen, geben über Monate ihre Wochenenden dran und verzichten auf lange Urlaube oder aufwendige Hobbys, lassen Mann, Frau oder Kind allein zu Haus oder stecken sie einfach mit dem Virus an und bringen sie mit: Seit 27 Jahren sind die Domis eine ein­geschworene Gemeinschaft und lassen sich immer aufs Neue begeistern.

Einer von ihnen ist Horst Menzen, ein Mann der ersten Stunde und mit 76 Jah­ren einer der Ältesten in der Domfestspiel-Fa­milie. „Für die allerersten Domfestspiele wurde jemand gebraucht, der sich mit Technik auskennt.“ Der Maschinenbau­ingenieur war sofort bereit, seine Fähig­keiten einzubringen. „Da ging es um die Rüstungen der Panzerreiter und um die Waffen, die Speere und Lanzen.“ Doch dann wurde er auch als Darsteller mehre­rer Figuren auf der Bühne gebraucht, zum Beispiel als Panzerreiter. „Einmal bin ich bei einer verregneten Probe mit dem Pferd gestürzt. Das ist einfach unter mir weggerutscht, und dann lag ich drunter.“ Zum Glück war nichts passiert, Ross und Reiter konnten sofort weiter proben. „Ich bin früher zehn Jahre im Verein geritten und freue mich jedes Mal, wenn Pferde dabei sind“.
Glatze und Koteletten

Der leiden­schaftlichen Domi hat wirklich viel er­lebt. "Einmal, das war beim ‚Steinernen Mann’, sollte ich eine Glatze haben. Da habe ich mir die Haare rasieren lassen, und alle standen auf dem Domplatz um mich herum und haben sich amüsiert.“ Als Zigarrenfabrikant muss er sich diesmal nach der Mode der Gründerzeit längere Haare und Koteletten wachsen lassen – beides sprießt bereits langsam. Für Menzen wurden die Domfestspiele zu einem wichtigen Lebenshobby. „Am Anfang habe ich immer gesagt, wenn ich nicht mitspielen kann, fahre ich weg. Das hätte ich nicht ausgehalten, zu wis­sen, das läuft gerade und ich bin nicht dabei.“

Luisa Ahrens, stadtbekannte Virtuosin an Diabolo und Devilstick war gleich in der ersten Produktion als Jongleurin in einer Gauklertruppe dabei. Besonderes Highlight für die stolze Mutter: „Mein damals 13-jähriger Sohn war auch schon sehr fit mit dem Diabolo, und wir konn­ten zusammen auf der Bühne stehen.“ Beim "Steinernen Mann", der ersten Pro­duktion mit Hans König, sollte sie den "Tod" spielen. "Das kann ich nicht", habe sie gedacht: Ihre Gaukeleien sollten doch Spaß und Freude bringen. „Doch dann habe ich es trotzdem gepackt.“ Im pechschwarzen Gewand ließ sie ihre Di­abolos wie eine Lebensuhr kreisen, und später musste sie den lebensmüden Hauptdarsteller bei böigem Wind mit ei­nem rotierenden Devilstick vom oberen Bühnenrand begleiten: „Das war eine echte Herausforderung.“
Riesiger Sprung nach vorne

Auch für sie ist es unverzichtbar, bei den Domfestspie­len dabei zu sein: „Diese Gemeinschaft, dieses Miteinander, das gibt es nur da, das habe ich vorher nicht gekannt.“ Und diese Beschreibung könne man über­haupt nicht überstrapazieren, findet Mi­chael Bauckner: "Das ist einfach so." Seit Hans König das Zepter übernom­men hat, haben Gemeinschaftssinn, Pro­benqualität und die gegenseitige Wert­schätzung aller Beteiligten einen riesigen Sprung nach vorn gemacht: "Hans holt aus uns allen das Allerbeste heraus. Nicht nur schauspielerisch, sondern auch menschlich."

Bei „Bischof von Verden“ und „Mauer­streit“ hat Bauckner sich mit dem Virus infiziert. „Beim Mauerstreit war ich zugleich ein einbeiniger Nachtwächter und ein Domherr – zweieinhalb Minuten Umziehzeit zwischen den Szenen.“ Mit hochgebundenem Bein musste er über die Bühne hinken und sein Liedlein sin­gen: „Das war so anstrengend, bei der letzten Vorstellung bin ich regelrecht ins Stadttor hineingefallen.“ Danach muss­ten Beruf und Familie ein paar Jahre vorgehen. „Aber gekribbelt hat es mich die ganze Zeit." Erst beim brennenden Mönch stieg er als fieser Bösewicht Radtke Holsten wieder ein: "Alles war sofort wieder da, die Freude und das tolle Gefühl, dazuzugehören.“ Besonders begeistert hat ihn damals die Zusam­menarbeit mit Franziska Mencz, mit der der Zölibateur eine sündige Beziehung hatte: "Sie hat mich voll mitgezogen. Das war ein tolles Erlebnis, mit einer profes­sionellen Schauspielerin zu arbeiten." In der "Rebellischen Hexe" hat Bauckner dann gemeinsam mit seinen Kindern auf der Bühne gestanden: „Das war für mich sehr emotional.“ 

Henning Diers

Mit ganz viel Herzblut dabei: Bühnenbildner Henning Diers. Foto: FOCKE STRANGMANN

Tom Meyer und Gaby Kracke haben sich von Henning Diers schon jede Menge abgeschaut. Foto: FOCKE STRANGMANN

Tom Meyer und Gaby Kracke haben sich von Henning Diers schon jede Menge abgeschaut.
Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 09.05.25

Bühnenbild mit Knalleffekt 

Gleich mehreren Herausforderungen müssen sich die Bildner in diesem Jahr stellen. Warum sie ihre Tätigkeit so lieben.
 
Von Jörn Dirk Zweibrock
 
Bühnenbauer Henning Diers hat das halbe Dorf für die Verdener Domfestspiele eingespannt. In der Scheune von seinem Nachbarn werden die Kulissen gebaut, die fertigen Teile wandern später allesamt in den leeren Kuhstall von einem anderen Dorfbewohner. So ist das eben auf dem Land: In der Gemeinde Hilgermissen wird Gemeinschaft noch groß geschrieben. Ebenso im Bühnenbau-Team der "Domis", da geht alles Hand in Hand.

Das diesjährige Bühnenbild stellt das Team des gelernten Raumausstatters gleich vor mehrere große Herausforderungen: Zum einen müssen alle 105 Ensemble-Mitglieder auf der Bühne Platz finden, zum anderen muss sie während der Festspielzeit auch noch bei jeder Aufführung explodieren. Und dann ist da ja noch die Sache mit den Pferdestärken – Stichwort Mobilität. "Zu viel wollen wir aber noch nicht verraten", hält sich Bühnenbildner Diers diesbezüglich noch ein wenig bedeckt.

Klassenkampf im Carport

"Die Bühne ist in diesem Jahr so groß wie noch nie", erzählt Diers, der zum zweiten Mal für das Bühnenbild bei den Domfestspielen verantwortlich zeichnet. Auch die Abmessungen der Wandelemente hinter der Bühne haben es in sich: fünf Meter hoch und fünf Meter breit. Wie gut, dass Nachbar Klaus Weber aus Mehringen seine Scheune dafür eigens noch mit Strahlern nachgerüstet hat.

Auch die Bühne für das aktuelle Stück "Die Zündholzfrau" besteht wieder aus mehreren Ebenen. "Oberhalb der rund 150 Quadratmeter großen Bühnenfläche befinden sich links und rechts zwei Carport-ähnliche Kästen", zeigt Diers auf die von ihm angefertigte Skizze, die er im Laufe der Proben immer wieder an die Bedürfnisse der Protagonisten auf und hinter der Bühne angepasst hat.

Proletariat versus Bourgeoisie, Zündholzfabrik versus Salon – den auf die Bühne zu bringenden Klassenkampf stellen die beiden in Opposition angeordneten Kästen auf der oberen Ebene jedenfalls mehr als plastisch dar.

Halb Mehringen ist im Festspielfieber.

Ab Ende Juli wird es bei den Vorstellungen vor der Kulisse des Verdener Domes dann auf jeden Fall nach Schwefel und Phosphor riechen – nach Zündhölzern eben. Das aktuelle Stück spielt bekanntlich im Jahre 1878, einige Jahre zuvor hatte der schwedische Chemiker Alfred Nobel das Dynamit erfunden. Den Sprengstoff, über den Friedrich Nietzsche einst sagte: "Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit." Und schon ist Diers nach diesem kleinen Exkurs wieder bei dem von ihm entworfenen Bühnenbild mit Knalleffekt.

Viele Erfolgserlebnisse

Die fünf mal fünf Meter großen Kulissenteile, die Gaby Kracke und Tom Meyer in diesen Tagen zusägen, wird Diers später mit Dispersionsfarbe bemalen. Krackes Nachbar Tom aus Verden ist bereits seit Jahrzehnten Mitglied bei den "Domis", erst nur zahlendes, seit einiger Zeit nun aber auch aktives. "Joachim, Ramona und Jörg komplettieren unser Bühnenbau-Team", erzählen die beiden fleißigen Hobby-Handwerker, die sich nach eigenen Angaben schon so einiges in Sachen Heimwerken bei Diers abgeschaut haben.

Neben dem tollen Miteinander, "bei den Domis ist es wie in einer großen Familie", schätzen sie an ihrer Tätigkeit vor allem auch die Erfolgserlebnisse. Es sei einfach toll, bei der Generalprobe zu sehen, was sie in den vergangenen Monaten mit ihren eigenen Händen geschaffen hätten. "Dann sehen wir endlich, ob die Bühnenelemente nach dreimaligem Sägen nicht immer noch zu kurz sind", scherzen sie.

Seit nunmehr drei Monaten werkeln Diers und seine fleißigen Helfer schon an dem überdimensional großen Bühnenbild. "Pünktlich zur Premiere am 25. Juli muss alles fertig sein", wissen sie. Aufgebaut werde vor dem Verdener Gotteshaus aber schon alles zweieinhalb Wochen vorher. Nicht nur für das Bühnenbild, sondern auch um die Großrequisiten, "also alles, was größer als ein Stuhl ist", müssen sie sich kümmern.

Volker Schwennen, Produktionsleiter der Verdener Domfestspiele

Freut sich auf die Festspielsaison: Volker Schwennen. Foto: Vasil Dinev

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 02.05.25

Volker Schwennen hat seine Herzensaufgabe gefunden 

Er ist nicht nur der Produktionsleiter, sondern auch Kultur- und Eventmanager des Vereins und sprudelt nur so vor Ideen. Warum Volker Schwennen in seinen Aufgaben so aufgeht.
 
von Susanne Ehrlich

Als Regisseur Hans König den Kulturmanager, Werbefachmann und freien Gestalter Volker Schwennen im Vorfeld der Domfestspiele 2022 fragte, ob er die Produktionsleitung des Freilichttheaters übernehmen wolle, gab es als erstes ein Gespräch mit dem Vorstand des Domfestspiel-Vereins. Danach musste Schwennen keine Sekunde mehr überlegen: Er wusste sofort, dass hier eine Herzensaufgabe auf ihn wartete.

"Das Besondere an den Domfestspielen war für mich, zu beobachten, wie das Miteinander funktioniert. Das hat mich von Anfang an motiviert, Teil des Ganzen zu sein und zu dieser Gemeinschaft zu gehören."

Begeistert habe ihn, wie König mit den Menschen arbeitet, wie sich dabei jede Szene nach und nach bis zur Perfektion entwickelt: "Das ist toll, das so nahe mitzuerleben."

Kontakte zur Wirtschaft

So war es für ihn überhaupt keine Frage, dass er auch für die "Zündholzfrau" die Produktionsleitung übernehmen würde, und nicht nur das: "Ich habe jetzt auch das Kultur- und Eventmanagement des Vereins übernommen. Da geht es um die Weiterentwicklung des Vereins, um die Darstellung in der Öffentlichkeit und um Aktivitäten zwischen den Produktionen."

Sehr wichtig ist Schwennen die  Kontaktpflege mit der Verdener Wirtschaft, denn ohne Sponsoren keine Domfestspiele, und deshalb sei es lebenswichtig, auch auf diesem Parkett überzeugen zu können. Auch ist Schwennen der Kontaktmann für die Kooperation mit der Stadt Verden, zum Beispiel bei der Organisation des neuen Raums für die Kostümwerkstatt oder beim Kindertheater-Projekt für das städtische Ferienprogramm. Auch erschließt er Synergie-Effekte mit der Szene vor Ort.

Betrachten Kulturinteressierte die regionalen Theaterprojekte, so finden sie bei der Aller Bühne, beim Theater im Krug in Kirchlinteln und vielen kleinen Zwischendrin-Produktio­nen immer wieder dieselben Namen vor und hinter der Bühne. Auch im Kurzfilm über die lokale Frauenrechts-Ikone Anita Augspurg, der im vergangenen Jahr Premiere feierte, stoßen sie bei Regie, Hauptdarstellerin und vielen anderen Mitwirkenden auf die vertrauten Persona­lien.

Impulsgeber für die Kultur

"Wir haben den Wunsch, mit unseren Aktivitäten auch die kulturelle Entwicklung in der Stadt zu unterstützen, so wie die Stadt uns unterstützt," erklärt Schwennen seine Vorstellung von einem Geben und Nehmen. "Wir tauchen sozusagen in das Selbstverständnis der Verdener Kulturszene ein. Dabei möchten wir als Verein unsere Erfahrungen, unser Know-how und unsere Werkzeuge gern zur Verfügung stellen." All das hätten sich die Domfestspieler über die Jahrzehnte erarbeitet. "Nun wollen wir dieses Wissen nicht für uns behalten. Wir wollen Impulsgeber sein für andere Vereine, Gruppen und Initiativen, die Kultur als gemeinschaftliches Erlebnis verstehen."

Mit seinem breiten beruflichen Spektrum ist Schwennen die ideale Besetzung für seine Aufgaben als Produktionsleiter einer so riesigen Theaterproduktion. Er arbeitet auch sonst seit jeher mit vielen Menschen zusammen, organisiert digitale und analoge Ausstellungen, ist Kurator für Wirtschaftsunternehmen und verschiedene Kulturorganisationen und Juror für Kunstpreise, berät Museen bei Innovationen für zeitgemäße Präsentation oder bei Prozessen für mehr Teilhabe.

Für ihn haben Theater und bildende Kunst gemeinsam, dass sie viel bewegen: "Zeitgenössische Kunst wagt Experimente, stellt Fragen und eröffnet neue Blickwinkel auf unsere Welt. Soziokulturelle Theaterproduktionen holen diese Kraft mitten ins Leben. Sie verbinden künstlerische Qualität mit dem Wunsch, möglichst viele Menschen einzuladen und Teilhabe zu ermöglichen." Diese Atmosphäre der Begegnung, des gemeinsamen Nachdenkens und Erlebens sei es, was ihn an seiner Aufgabe fasziniere.

Professionelle Begleitung

Am Anfang jeder Produktion steht für Schwennen die Kalkulation der Kosten. In der gesamten Produktionsphase spricht er sich mit den Werkstätten und Teams ab, verwaltet das Budget, genehmigt Anschaffungen und andere Ausgaben. Alle Darstellerinnen und Darsteller werden von Profis angeleitet und unterstützt. Sie bekommen Unterricht in Tanz und Gesang und bei Hans König eine permanente professionelle Schauspiel-Weiterbildung. Die Teams hinter der Bühne bekommen Fortbildungen in Kostüm- und Maskenbildung und vielem mehr.

"Denn das ist ja das Besondere an unserer Produktion", betont Schwennen, "dass wir hier so viele Menschen ausbilden, die davon selbst einen großen Gewinn haben". So seien die Walzer-Stunden bei Jean Sasportes sehr wichtig für die Szene und die ganze Aufführung gewesen. "Und wenn unsere Kostümbildnerin sagt, sie braucht bestimmte Hüte, dann muss ein Hut-Workshop her, in dem sie ihr Können an ihr Team weitergeben kann", gibt Schwennen Beispiele für anfallende Kosten während der Produktion.

Auch zwischendurch schafft er immer mal wieder notwendige Gelder herbei: "Als die Idee entstand, ein Dampfauto zu bauen, brauchten wir nicht nur Leute, die das praktisch unterstützten, sondern auch Geld: Es musste ein Motor her, ein Gestänge, die Hydraulik und viele Einzelteile." Das Auto fährt bereits, und das gelang auch mithilfe engagierter privater Kleinspender.

Helfende Hände willkommen

"Wir können immer noch weitere Helfer hinter der Bühne gebrauchen, und auch Geldspenden für weitere Ideen, die wir gerne umsetzen würden." Jede noch so kleine Spende und jede helfende Hand sei willkommen: "Ich nehme alles", sagt Schwennen und lacht so verschmitzt, wie nur er lachen kann. 

zum Originalartikel

Bernd Maas

Störtebeker ist die Paraderolle von Bernd Maas. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 25.04.25

Der Fels in der Brandung 

Bernd Maas, ein Mann mit vielen Gesichtern: von der Bühne der Domfestspiele bis hin zu einem spannenden Filmprojekt. Der Schauspieler und Sozialpädagoge spricht über seine Rollen und die Herausforderungen.
 
von Susanne Ehrlich

Der Kirchlintler Schauspieler und Sozi­alpädagoge Bernd Maas muss einen rie­sigen Hut haben. Sonst würden auf kei­nen Fall ein Vollzeitjob, eine Hauptrolle bei den Domfestspielen und ein span­nendes Filmprojekt darunter passen. Schon gar nicht, wenn da auch noch eine Familie und ein altes Haus mit ei­nem großen Garten drunterstecken.

In Kirchlinteln kennt man ihn vor allem als zweite Hälfte des lie­benswerten plattdeutschen Komödian­ten-Duos Edi und Karl. In Verden darf er als ruppiger Klaus Störtebeker Heringe unter das Volk werfen. Im Jahr 2023 stieg er als Mas­senmörder Friedrich Haarmann in die tiefsten Abgründe des Unvorstellbaren. Bei den Domfestspielen 2025 ist er der Arbeiterführer Otto Breden, für den Ver­rat die schlimmste aller Todsünden ist.
Identifikation mit der Rolle

Woher nimmt ein Mann, der in Beruf und Privatleben den Typ "warmherziger Fels in der Brandung" verkörpert, all diese gegensätzlichen Charaktere und Gesichter? "Das ist halt die Arbeit des Schauspie­lers: Man spielt ja nie sich selbst, son­dern immer die Typen, die man verkör­pert." Man müsse sich hineinfühlen in deren Leben, müsse den Habitus, die Stimme, die typischen körperlichen und charakterlichen Eigenarten übernehmen. "Dazu gehören auch Recherchen zur Epoche, der sozialen Situation, zu Alltag und Lebensbedingungen der Menschen, die ich spiele", erklärt Maas. "Zum Beispiel war zurzeit der 'Rebellischen Hexe' ein Sohn gene­rell viel wertvoller als eine Tochter, und das musste ich als Margarethes Vater sichtbar machen."

Ganz unvorstellbar für Maas, dessen 16-jährige Tochter Swantje mit ihrem Schauspiel-Talent bereits in seine Fußstapfen getreten ist. Die Rolle des Otto Breden dagegen komme ihm sehr nahe: "Ich habe mich seit jeher in Gewerkschaft und Betriebsräten engagiert." Auch mit der Ideologie des 'Kommunistischen Mani­fests' könne er einiges anfangen, und es sei ihm ebenso wie seiner Figur Otto selbstverständlich, sich für andere einzu­setzen.

Plattdeutsch-Unterricht in Luttum

"Otto ist ein typischer Arbeiter und guter Kollege, der seine Schwester Clara über alles liebt. Dass sie sich in den Klassenfeind verliebt, das ist für ihn kaum zu ertragen!" Die Schwes­ter werde in Ottos Augen zur Verräterin, und auch sonst gehe es in dieser Rolle so richtig ans Eingemachte: "Es gibt eine sehr schlimme Szene, auf die muss ich mich besonders gut vorbereiten", verrät Maas, doch was da genau passiere, das müsse bis zur Premiere verschwiegen werden.

Die meisten Domfestspiel-Darsteller und Darstellerinnen sind Laien. Nur wenige Rollen sind mit professionellen Schauspielern besetzt. Auch Maas hat eine abgeschlossene Schauspiel-Aus­bildung: "Neben meinem Beruf habe ich ab 1998 die Schauspielschule am Ernst-Waldau-Theater besucht. Ich hatte ein Stipendium und musste nichts bezahlen, irgendwas müs­sen die in mir gesehen haben." Nach zweieinhalb Jahren hielt er seinen Abschluss in den Händen: die offizielle Bühnenreife.

Maas hat schon immer gern auf der Bühne gestanden. Nach zwölf Jahren bei der Bundeswehr hatte er ein Studium der Sozialpädagogik in Oldenburg auf­genommen und war danach mit seiner jungen Familie in sein Elternhaus in Kirchlinteln eingezogen. Auf einem der ersten Feste in seiner alten Heimat traf er einige Leute von der Luttumer Speel­deel. "Du bist so ein Lustiger", hieß es da, "Du musst Theater spielen". Maas ließ sich breitschlagen und hatte seinen ersten Auftritt bei "Snider Nöhrig" in der Spielzeit 1990/91. "Das hat mir viel Spaß gemacht, obwohl ich da noch kein Wort Plattdeutsch konnte. Zuerst habe ich oft gar nicht verstanden, was meine Mitspieler zu mir gesagt haben."
Lebenslanges Lernen

Als er zum ersten Mal bei der Daverde­ner Freilichtbühne einsprang, kam am nächsten Tag ein Anruf von Dieter Jor­schik. "Er fragte mich, ob ich im Bi­schof von Verden den 'star­ken Mann' auf dem Jahrmarkt spielen möchte." Doch kurz vor der Uraufführung der al­lerersten Domfestspiele sei ein Darsteller ausgefallen, und er musste die viel größere Rolle als Domdechant Gernot von der Borm übernehmen. Und nun schloss sich der Kreis zu seiner Schauspieler-Laufbahn: "Bei einer der Vorstellungen saßen zwei Lehrer der Bremer Schau­spielschule im Publikum. Die ha­ben mich nach der Vorstellung direkt ange­sprochen." So kam es, dass Maas nun zwei Berufe hat, die sich zeitlich manchmal ganz schön drängeln müssen. "Das Gute daran ist: Ich kann als Schau­spieler immer das machen, wozu ich Lust habe, weil ich finanziell nicht ab­hängig bin."

Seit seiner Theater-Ausbildung gab es für ihn bei den Domfestspielen immer größere Rollen, er spielte in zahllosen Produktionen in Verden und umzu mit, gründete sein eigenes "Theater im Krug" in Kirchlinteln und wurde gerade nach vier Casting-Runden für eine span­nende plattdeutsche Filmproduktion mit dem Titel "Drakohla" als einer von zwei Schnapsbrennern engagiert. Der Film soll in allen norddeutschen Kommunal­kinos laufen.

Doch Maas hat immer an seiner Arbeit als Sozialpädagoge festgehalten, denn der bedeutet nicht nur ei­nen festen Broterwerb für die Familie, sondern auch viel berufliche Erfüllung für ihn selbst. Er arbeitet in der ambu­lanten Familienhilfe vor Ort und als Kinderschutzfachkraft im Krisendienst und hat gerade eine Fortbildung als Trennungs- und Scheidungsmoderator abgeschlossen. Lebenslanges Lernen ist für Maas ein Muss: "Stehenbleiben gibt es nicht."

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Kostümprobe für die Domfestspiele im neuen Domizil: (v. li.) Volker Schwennen, Marga Prange, Beate Ambroselli und Ralf Böse. FOCKE STRANGMANN

Kostümprobe für die Domfestspiele im neuen Domizil: (v. li.) Volker Schwennen, Marga Prange, Beate Ambroselli und Ralf Böse. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN,  17.04.25

Kostümwerkstatt bezieht neues Quartier im ehemaligen "Blickfang" 

Die Kostümwerkstatt der Domfestspiele Verden hat neue Lagerräume. Der ehemalige Blumenladen "Blickfang" bietet ausreichend Platz und liegt in unmittelbarer Nähe zum Domplatz.
 
von Susanne Ehrlich

Eine Kolonne nagelneuer Kleiderständer holpert über das Kopfsteinpflaster der Syndikatstraße: Heute ist Umzugstag in der Kostümwerkstatt der Domfestspiele. Da packen nicht nur die Nadelkünstlerinnen mit an, sondern auch aus den anderen Gewerken sind helfende Hände gekommen, um die Kostüme für die "Zündholzfrau" aus dem dunklen und engen Quartier in der ehemaligen Spielhölle ganz in die Nähe des Doms zu schaffen.

Marga Prange, Beate Ambroselli, Katrin Ellmers, Ilse Schubert und Gaby Kracke haben den Abzug generalstabsmäßig vorbereitet. Schon nach einer Dreiviertelstunde sind alle Pkw bis zum Rand voll Kleider, und der große Lieferwagen hat die Kleiderständer im Bauch. Auch Biertischgarnituren, Stühle, Spiegel und andere "kostümrelevante" Inventarstücke müssen mit. Nicht nur die starken Männer vom Bühnenbau, sondern auch Vereinschef und Produktionsleiter packen kräftig mit an.

Lagerraum im ehemaligen Laden

"2022 hatten wir ja den Laden an der Ecke Große Straße/Norderstädtischer Markt", erklärt Ralf Böse. Dieser sei danach anders genutzt worden, und der Kostümwerkstatt sei diesmal das Untergeschoss in der Syndikatstraße angeboten worden. "Aber dadurch, dass wir 100 Menschen auf der Bühne haben werden, ist dort einfach nicht genug Platz für alle Kleider und die vielen Anproben", so Böse. Darum habe der Verein bei der Stadt angefragt, ob es eine andere Lösung gebe, und sei auf offene Ohren gestoßen. "Heute können wir für die Dauer dieser Produktion in die Große Straße 113 einziehen." Der ehemalige Blumenladen "Blickfang" bietet einen hellen, großen Ladenraum, gerade richtig für ein Kostüm-Atelier, gute Sanitär- und Lagerräume und eine breite Schaufensterfront, an der sich von nun an Freunde der Domfestspiele und andere Neugierige die Nase plattdrücken dürfen. Besonders erfreulich: "Wir müssen lediglich eine Nebenkosten-Pauschale zahlen und sind sehr dankbar für diese tolle Unterstützung der Stadt Verden für unser Projekt", so Böse.

"Ich habe heute mal eine tragende Rolle", lacht Volker Schwennen, der fast unter dem letzten Kostümberg in seinen Armen versinkt, und schon geht es ab in die Große Straße.

Beate Ambroselli ist des Lobes voll: "Ich bin begeistert! Licht, Luft, gute Toiletten – das ist eine ganz große Verbesserung." Die 76-jährige Modedesignerin hatte seit der allerersten Stunde der Domfestspiele die künstlerische Leitung der Kostümwerkstatt inne; in diesem Jahr hat die Bremer Modedesignerin Christin Bokelmann sie abgelöst. "Ich musste mich endlich entschließen, ein wenig kürzerzutreten", so die Modekünstlerin, die sich im Ruhestand noch gar nicht so recht zu Hause fühlt: "Mit den Domfestspielen kann man nicht einfach aufhören, aber ich bin jetzt ins zweite Glied zurückgetreten, und es ist schön zu sehen, dass schon die nächsten heranwachsen", sagt sie und zwinkert der kleinen Maila Prange (7) zu, die heute mit der Oma mitfahren durfte. Marga Prange ist für den organisatorischen Ablauf in der Kostümwerkstatt verantwortlich: "Wir haben nur die Kostüme mitgenommen, die für die Streichholzfrau gebraucht werden, der Rest bleibt in der Syndikatstraße."

Kooperation mit Bremer Theater

Ein großer Teil der Kostüme werde jedes Mal ausgeliehen. "Für das "Geheime Attentat" haben wir sogar historische Kostüme aus Babelsberg bekommen", erinnert sich Prange, und mit dem Bremer Theater bestehe seit Langem eine gute Kooperation. "Diesmal müssen wir fast alle Kostüme leihen. Wir haben nur einige einfache Röcke und Schürzen für die Arbeiterinnen genäht, das Volk ist jetzt fast fertig eingekleidet."

Der Großteil der Arbeiterkostüme war schon vor Wochen in der Syndikatstraße eingetroffen. Inzwischen sind alle Kleider sortiert, sorgfältig auf die eigens angeschafften großen rollenden Kleiderständer gehängt und an ihren Platz gebracht worden.

"Die Räumlichkeiten lassen sich auch viel besser gliedern", freut sich Ambroselli, das sei sowohl für die kommenden Anproben als auch für Besprechungen im Team eine große Erleichterung. Mithilfe einer Biertischgarnitur ist ein freundliches abgetrenntes Büro entstanden; auch die Anproben sind nicht ganz so "öffentlich" wie in der ehemaligen Spielhalle, die nur aus einem einzigen niedrigen und dunklen Raum bestand.

In diesen Tagen werden auch die Gewänder der reichen Bürger eintreffen. "Und die sind reichlich voluminös", weiß Ambroselli, die sich wie keine andere mit historischen Modestilen auskennt. Da kam der Ortswechsel gerade noch zur rechten Zeit.
Geringe Entfernung zum Domplatz

Für die Kostümfrauen liegt ein weiterer großer Vorteil des Umzugs in der geringen Entfernung zum Domplatz: Anfang Juli müssen die Kostüme ein weiteres Mal umziehen, denn dann werden die Container auf dem Platz stehen. Und von dort aus sind es dann nur fünf Gehminuten bis zur Werkstatt.

Volker Schwennen freut sich, dass die Domfestspiele durch das neue Quartier noch mehr in die Öffentlichkeit rücken: "Wir werden den Laden für verschiedene Aktionen öffnen", kündigt der Produktionsleiter an, "und auch sonst für die Leute ansprechbar sein".

Über die einzelnen Aktionen bis zur Premiere kann man sich jeweils im Schaufenster informieren. "Um Ostern herum wird es hier richtig schick werden", verspricht Schwennen, "dann gibt es hier Plakate, Fotos und viele andere Einblicke in unseren Probenprozess, und auf einem Monitor kann man sich Videos von unseren Proben anschauen".

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Kostümprobe: Prinzessinnen, Ritter und Räuber bereiten sich auf ihre Rolle vor. Vasil Dinev

Kostümprobe: Prinzessinnen, Ritter und Räuber bereiten sich auf ihre Rolle vor.
Foto: Vasil Dinev

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 11.04.25

Wie im Fundus mit Kindern ein Theaterstück entsteht

Kinder entdecken ihre Kreativität bei den Domfestspielen Verden. In nur drei Stunden entwickeln sie ein eigenes Theaterstück. Ein Abenteuer, das mehr als nur Spaß und Spiel bietet.
 
von Susanne Ehrlich

Brainstorming im Fundus der Domfest­spiele: Zehn Kinder planen ein Theater­stück, das von der Entstehung bis zur letzten Aufführung genau drei Stunden dauert. Das Angebot, das Volker Schwennen und Michaela Rampp als Teil des Ferienprogramms der Stadt Verden organisieren, ist für die Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Jah­ren mehr als Spaß und Spiel: Hier kön­nen sie sich ganz neu entdecken.

Schon der Auftakt des kleinen Projekts ist ein Abenteuer: Die Kinder dürfen sich zwischen all den vielen Kostümen und bunt übereinandergestapelten Requisiten umsehen. Schnell sind Ritterrüstung, Schwert und die bleischwere Fußfessel der "Rebellischen Hexe" ausgemacht. Geheimnisvolle Gewänder und coole Hüte offenbaren eine Fülle spannender Möglichkeiten.

"Wir wollen gerne Ritter sein", sind sich Maximilian und Mattis einig. "Ich bin Jack the Ripper", ruft der elfjährige Hagen, und Emil, ebenfalls elf Jahre alt, will Robin Hood spielen. Mina, Nora und Hanne wollen Prinzessinnen sein – unwiderstehlich ist die Aussicht, ein schönes Kleid zu tragen und perfekt geschminkt zu werden. Selina mag lieber eine Kämpferin sein, und Ida und Mia sind Agentinnen mit vorerst noch unbekanntem Auftrag.

Ein Entwurf liegt in der Luft

Gleich liegt der Entwurf für das Stück in der Luft: Die Fußfessel inspiriert zu einer Entführung, und Prinzessin Hanna steht für den gruseligen Part gern zur Verfügung. Der Bösewicht ist auch bereits gesetzt, und routiniert spinnt Emil einen roten Handlungsfaden: "Es kann ein Ritterturnier geben, und sie duellieren sich um die Prinzessin, und dann kommt Jack the Ripper und entführt sie. Sie versuchen, sie zu finden, und treffen Robin Hood und seine Agentinnen." Alle sind sich einig, dass es am Ende einen Kampf geben wird und die Geschichte gut ausgehen soll.
Der Fundus der Domfestspiele Verden ist auch Inspirationsquelle.

Theaterpädagogin Michaela Rampp hat sich bisher weitgehend zurückgehalten und den Ideenfluss nur hin und wieder ein wenig kanalisiert. Nun schlägt sie die nächsten Schritte vor, und mit Begeisterung kleiden sich die Kinder gemäß ihren Rollen ein. Susanne Fricke, Mitarbeiterin im Masken-Team der Domfestspiele, hat ein ganzes Schmink-Equipment dabei, und Gaby Kracke zaubert aus dem Requisiten-Schatz alles Gewünschte hervor. Aus einer der Prinzessinnen ist inzwischen die Königin geworden, die auf dem Thron inmitten ihrer Töchter Platz nimmt. Aufmerksam beobachtet Rampp den Schwertkampf der Ritter und sorgt mit Ruhe und Konsequenz für die Einhaltung wichtiger Regeln.
Hofnarr und Diener

Volker Schwennen, nicht nur Produktionsleiter der Domfestspiele, sondern auch Kultur- und Projektmanager des Vereins, ist mitten im Geschehen und wird dabei selbst wieder zum Kind. Gewohnt, auf Augenhöhe mit allen Akteuren zu agieren, ist er auch jetzt Teil des Teams und wird auf Zuruf der Kinder mal zum Hofnarren, mal zum Diener.

Als alle Szenen stehen, gibt es erst mal eine kleine "Kekspause". Alle Kinder sind sichtlich im Theaterfieber, einige von ihnen kannten das Gefühl bereits. "Wir haben am Domgymnasium ein Musical gemacht", erzählt Fünftklässlerin Mia, "da war ich ein Elf". Als sie das Ferienangebot entdeckt hat, hat sie sich sofort angemeldet: "Ich liebe Theaterspielen." Auch Viertklässler Maximilian kennt sich schon ein bisschen aus: "Mir hat Theater schon immer Spaß gemacht." An seiner Schule gebe es eine Theater-AG, außerdem habe er schon mit Freunden einen eigenen Film gedreht: "Ein Mittelalter-Drama mit Kostümen." Maximilian und Mia sind ebenso wie die anderen Kinder Feuer und Flamme: "Sehr spannend und toll" findet Mia das Angebot, und dann wird es ernst mit der Aufführung.

"Wichtig ist, dass ihr euch gegenseitig unterstützt, die anderen aussprechen lasst und ihre Ideen mit reinnehmt," lautet Rampps einzige Regieanweisung. "Das soll ja keine Ein-Mann-Show werden, sondern ein gemeinsames Stück." Mehrere Male spielen sie die Handlung durch und werden dabei immer mutiger. Die Dialoge werden spontaner und witziger, die Kinder wachsen in ihre Rollen hinein. Viel zu früh ist der Spaß zu Ende.
Engagement in Projekten

Dass Volker Schwennen sich so viel Zeit für die Ferien-Aktion nimmt, ist für ihn selbstverständlich: "Das Engagement in soziokulturellen Projekten gehört ja zum Konzept des Domfestspiel-Vereins." Als die Stadt Verden angefragt habe, ob dieser sich am Ferienprogramm beteiligen wolle, habe er sofort zugestimmt. "Mir macht die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Freude. Manche von ihnen sind noch nie mit Theater in Berührung gekommen, und es ist immer wieder toll zu beobachten, wie viel Kreativität sie gemeinsam entwickeln können."

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Lebt ein Doppelleben als Bürgerliche und Künstlerin: Birgit Scheibe. Den Wechsel hinter die Bühne hat sie nie bereut. FOCKE STRANGMANN

Lebt ein Doppelleben als Bürgerliche und Künstlerin: Birgit Scheibe. Den Wechsel hinter die Bühne hat sie nie bereut. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 04.04.25

Das Gedächtnis der Produktion 

Als Regieassistentin hält Birgit Scheibe Hans König den Rücken frei. Die Schauspielerin über ihre neue Rolle, Anita Augspurg und die "Vertrauensatmosphäre" unter den "Domis".
 
von Susanne Ehrlich

Wenn Birgit Scheibe am wenigsten Zeit hat, hat sie die meiste Energie: Ihr Dop­pelleben hat wieder begonnen! Bereits zum dritten Mal steht die freie Schau­spielerin und Mitarbeiterin der Koordi­nierungsstelle Frau und Wirtschaft des Landkreises Verden als Regieassistentin der Domfestspiele an der Seite von Re­gisseur Hans König. Ihre eigene schau­spielerische Erfahrung und Professiona­lität ist eine gute Mitgift für diese Verbindung.

Was macht eigentlich eine Regieassis­tentin? "Ich bin das Bindeglied zwischen Hans, dem Ensemble, den Ge­werken und dem künstlerischen Be­triebsbüro", umreißt Scheibe mit weni­gen Worten ihren komplexen Aufgaben­bereich. Dabei geht es darum, dem Re­gisseur den Rücken freizuhalten und alle Angelegenheiten zu regeln, die nicht unbedingt "Chefsache" sind.

Rechte Hand des Regisseurs

"Hans macht sehr viele Dinge selbst. Es ist faszinierend, wie er zu jeder Zeit das große Ganze im Auge hat und sich ebenso um kleinste Details kümmert." Doch bei einem Ensemble von fast hundert Mitwirkenden auf der Bühne und noch einmal fast der Hälfte dahinter ist seine "rechte Hand" für ihn einfach unverzichtbar. Als direkte Ansprech­partnerin steht Scheibe allen Mit­wirkenden zur Verfügung. Außerdem ist sie bei allen Proben dabei, hat während der Teil-Durchläufe alle Anwesenden im Blick und kennt die Probenzeiten und die dafür benötigten Personen jeder ein­zelnen Szene: "Man darf sich das ja nicht so vorstellen, dass immer alle auf einmal proben." Wenn der Regisseur beispielsweise mit Einzelgesprächen be­schäftigt sei oder intensiv an einer be­stimmten Szene feilen müsse, be­reite sie eben mit den anderen bereits den nächsten Auftritt vor: "Ich beginne dann schon mit der Stellprobe, damit es zügig weiter geht, bespreche Details, die sich geändert haben oder erinnere an Regie­anweisungen, die zu beachten sind." Das sei ein ständiges Hand-in-Hand-Ar­bei­ten.

"Ich arbeite sehr gern in diesem Team, es gibt eine tolle Vertrauens­atmo­sphäre zwischen uns." Damit meint Scheibe das ganze "Dreigestirn" in der Pro­benhalle: Regie, Regieassistenz und Hiltrud Stampa-Wrigge, die alle Ter­mine, Veränderungen und Ausfälle ver­walten muss. Die Regieassistentin ist sehr froh darüber, dass Hans König in jeder Hinsicht ein Team­worker ist: "Meine eigenen Ideen hört er sich immer erstmal an und denkt darüber nach." Nicht alles, aber so manches fließe dann in die Aufführung mit ein.

Textarbeit ist das A und O

Sehr wichtig sei die Arbeit mit dem Text: "Während der Proben muss ich alle Veränderungen doku­mentieren, Kürzungen, Ergänzungen oder Umstellungen", erzählt die Regieassistentin. Manchmal müsse sie ganze Textteile neu einpflegen, die dem Ensemble bereits am nächsten Probentag vorliegen müssen. Dass der Regisseur zugleich der Autor sei, mache die Sache unkompliziert.

Für jede Szene macht Scheibe eine Skizze mit allen Positionen, Läufen und Einsätzen. "Wenn eine Szene fertig ist und erstmal nicht weiter geprobt wird, muss später ja alles wieder präsent sein!" Natürlich müsse sich jeder und jede Mitwirkende an diese Dinge selbstverantwortlich erinnern. "Aber in der Arbeit mit so vielen Leuten gerät immer mal etwas in Vergessenheit, und dann ist es gut, dass ich das Gedächtnis der Produktion bin."

Begeistern kann sich die Regieassistentin auch für Königs Choreografie-Arbeit: "Außer der Wal­zer-Szene und dem Auftritt der Cancan-Tänzerinnen vom TSV Etelsen erfindet er alle Tanzszenen sel­ber. Dann muss ich seine 'Vorkosterin' sein. Er tanzt mir die Szene vor, ich do­kumentiere das und dann muss es auf Abruf parat sein." Beim Walzerwochen­ende mit Jean Sasportes hatte Scheibe die Probentage allein übernommen, König kam erst zuletzt hinzu. "Dadurch kann ich jetzt auch alle Walzerproben anlei­ten und alle, die nicht dabei sein konn­ten, auf den Stand der Dinge bringen."

Lebensrolle "Anita Augspurg"

Für Birgit Scheibe, deren "Lebensrolle" Anita Augspurg weite Strecken ihrer schau­spielerischen Vita begleitet hat, ist die Zeit, in der die "Zündholzfrau" handelt, besonders spannend. "Das derbe Mittel­alter erforderte ein völlig anderes Spiel. Diesmal werden wir in der 'gehobenen Gesellschaft' viel Feines, Wohlerzogenes und auch Dünkelhaftes erleben." Es sei beeindruckend zu beobachten, wie wäh­rend des Stückes der Widerstand aufzu­keimen beginnt: "Vor allem die Arbeiterin­nen fühlen sich zum ersten Mal als Men­schen, die nicht einfach alles hinnehmen müssen, sondern selbst etwas verändern können."

Im Stück spielt auch die Verdenerin Anita Augspurg eine Rolle. "Natürlich spiele ich sie nicht selbst, sie ist zu der Zeit ja noch sehr jung, und außerdem kam für mich in dieser Produktion keine Bühnenrolle infrage." Auch wenn ihr dabei ein bisschen das Herz blutet – zu umfangreich sind ihre Aufgaben hinter der Bühne, und nun sei es eben diese Rolle, die sie ganz und gar ausfülle.

"Was mich fasziniert, ist, dass die Dom­festspiele auch ein soziokulturelles Pro­jekt sind, bei dem alle mit ihren Gaben und Persönlichkeiten ihren Platz finden, auf dem sie sich einbringen können." Gerne erinnert sich Scheibe, die bei der ersten Domfestspiel-Produktion 1998 noch jung war, an viele Gesichter der ersten Stunde, die heute längst fehlen. Aber all die "Neuen" wachsen stets so­fort in die Gemeinschaft hinein. "Ich fühle mich beschenkt, wenn ich dieses Vertrauen erlebe, mit dem Menschen, die noch nie auf der Bühne gestanden haben, ohne Angst und mit so viel eigener Kre­ativität in das Stück hineinwachsen."

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  Tanzprofi Jean Sasportes (l.) zeigte sich am Ende der Proben beeindruckt. Foto: Michael Galian

Tanzprofi Jean Sasportes (l.) zeigte sich am Ende der Proben beeindruckt. Foto: Michael Galian

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 06.02.25

Intensive Proben im Dreivierteltakt 

Unter der Anleitung des renommierten Choreografen Jean Sasportes bereiten sich die Schauspielerinnen und Schauspieler auf eine große Festszene vor. Von Arbeitern bis zur Bourgeoisie, alle sind dabei.

von Susanne Ehrlich

 Internationale Tanzprominenz zu Gast in der Intscheder Mehrzweckhalle: Der bekannte Tänzer und Cho­reograf Jean Laurent Sasportes wurde zum Coach für die Bühnen-Hundertschaft der Domfestspiele. Von 1979 bis 1996 gehörte der Mann mit der leisen Stimme und den sanften Bewegungen im Tanztheater Wuppertal unter Pina Bausch zum festen Ensemble und war an der Entstehung von zehn ihrer Stücke beteiligt.

Jetzt müssen alle den Wal­zer lernen, denn in der großen Festszene soll ganz Verden tanzen – von den Zündholz-Arbei­te­rinnen und Zigarrenmachern bis zur Haute Volée der Verdener Bour­geoisie.

Die Choreografie ist noch im Entstehen. Regisseur Hans König weist ein: "Ihr tretet so auf, wie es eurer Rolle entspricht. Die Polizeibeamten machen sowas ja nicht jeden Tag. Ihr kommt ganz unsicher rein und müsst erstmal jemanden finden, mit dem ihr tanzen könnt." Die Fabrikarbeiterinnen haben kein Problem: Sie tanzen einfach miteinander. Auch der Schluss der Ball-Szene wird bereits ins Auge gefasst: "Nach dem Tanz geht ihr ganz zufrieden ab mit dem Gedanken 'Das Fest ist vorbei'. Das Publikum guckt euch ja dabei zu, wie ihr den Tanzsaal verlasst. Also bitte nicht einfach von der Bühne laufen, sondern angeregt und dynamisch, in Gespräch und Geschäftigkeit."

Anderthalb Tage Walzer

Anderthalb Tage haben sie mit Jean Sasportes den Walzer geübt – viele der Domis können tanzen, doch einige von ihnen stehen vor der Herausforderung, ihre Füße zu völlig unbekannten Bewegungen zu sortieren, so wie Eckhard Berthold: "Ich war nie bei der Tanzschule und konnte den Walzer zuerst überhaupt nicht. Jean hat das so gut gemacht. Wir haben die Bewegungen step by step gelernt. Er hat uns jede einzelne Sequenz ganz differenziert gezeigt, bis sogar ich das kapiert habe."

Ganz anders sieht es bei Uta Sieber aus: "Ich habe früher viele Jahre Turniertanz gemacht und hab' das so'n bisschen im Blut." Auch sie ist begeistert von Sasportes: "Er ist wirklich großartig, hat alles supergut erklärt und jeden von uns da abgeholt, wo er gerade war. Das hat unheimlich Spaß gemacht." Die routinierte Domfestspielerin ist diesmal eine Arbeiterin. Zuerst tanzt sie mit einer Frau aus ihren Reihen. "Aber dann werde ich ein bisschen frech und schnappe mir den Bürgermeister. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht."

Und nun wird es ernst: Akribisch werden die Nummern verteilt, nach denen die Leute in den Tanzsaal kommen. "Denkt daran", mahnt der Regisseur und zeigt von einer Längs-Hallenmarkierung zur anderen, "ihr habt nur so viel Tiefe auf der Bühne. Wenn ihr über den grünen Strich tretet, fallt ihr runter."

Musik mit starker Dynamik

König hat Aram Khatchaturjans Walzer aus der Masquerade Suite ausgewählt. Der ist zwar Jahrzehnte nach der Zeit entstanden, in der das Stück spielt, aber er hat sich ganz bewusst für diese große Musik mit ihrer starken Dynamik und den erregenden Stimmungswechseln entschieden.

Selbstvergessen, voller Vorfreude treten die ersten Arbeiterinnen auf die Bühne, einige wenige Arbeiter haben sich auch getraut. Sie bilden Paare und beginnen zu tanzen, raumgreifend und walzerselig. Doch da treten die Protagonisten der bürgerlichen Elite in die Mitte der Tanzenden: Wie mit zwei strengen Ellenbogen schieben sie das Arbeitervolk von der Tanzfläche, machen sich in aller Eleganz breit und lassen den anderen nur den rechten und linken Rand. Die Szene wird mehrmals geprobt, und jedes Mal ist sie noch anschaulicher, noch intensiver.

Ebenso wie Hans König besitzt Sasportes die Gabe, tief in die Menschen hineinzuschauen, bis dorthin, wo ihr wirkliches Wesen steckt. So wird jeder und jede der Anwesenden im Lauf des Geschehens zu einem eigenen Charakter. Da tanzt keine Menge, sondern da bewegen sich individuelle Figuren mit den Geschichten, die sie auf der Bühne zu erzählen haben – ganz gleich ob mit oder ohne Sprache.
Erstaunliche Vermengung der Klassen

Uta Sieber schnappt sich den ungelenken Bürgermeister Uwe Pekau, der sich gerade am Rand des Saals verstohlen den Schweiß von den Achseln gewischt hat. Aber die erstaunlichste Vermengung der Klassen geschieht ganz unbemerkt: Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, bewegen sich Arbeiterführerin Klara und der Unternehmer Willibert Stenzel aufeinander zu, Letzterer zuerst noch am Arm seiner Gattin, doch dann verschwindet er im Gewusel, die Blicke treffen sich, dann die Arme, und der Ausdruck, mit dem die frisch Verliebten sich ansehen, lässt das Herz eine Sekunde lang stillstehen.

Jean Sasportes ist beeindruckt: "Ich habe ja schon oft mit Laien gearbeitet, aber die Tage hier waren ganz besonders für mich." Mit König hat er bereits in mehreren Produktionen zusammengearbeitet, gemeinsam haben sie auch diese Walzer-Szene entwickelt. "Ich bin sehr zufrieden. Die Leute sind so produktiv, sie sind verständnisvoll und geduldig." Alles, was er gezeigt habe, sei sofort umgesetzt worden. Zuletzt hätten selbst die Anfänger auch die schnellere Version beherrscht, sodass das Team nun während des Stückes vom langsamen zum schnellen Walzer wechseln und die Dynamik der Choreografie noch intensivieren könne. Und genau diese spontane Flexibilität begeistert den Regisseur: "Man kann mit Jean wundervoll im Prozess arbeiten. Man spürt, dass er sich in einer kosmopolitischen Szene bewegt, die über die ganze Welt agiert."

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Tanzkurs für die Domfestspiele: Bei den Proben stand der Walzer im Mittelpunkt. Foto: Michael Galian

Kreativ: Die Requisiteurinnen Ilse Schubert (l.) und Gabi Kracke. FOCKE STRANGMANN

Kreativ: Die Requisiteurinnen Ilse Schubert (l.) und Gabi Kracke. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 21.03.25

Familienbande: Großmutter und Enkel sind leidenschaftliche "Domis"

Sie teilen eine Leidenschaft: das Freilufttheater. Während sie hinter den Kulissen wirkt, steht er auf der Bühne. Wie die Festspiele Generationen verbinden.
 
von Susanne Ehrlich

Henkersschwert und blutverschmierte Fußfesseln waren gestern – für Chef-Re­quisiteurin Ilse Schubert bringt jede Domfestspiel-Produktion neue Heraus­forderungen. Dieses Mal muss sie eine komplette Zündholzfabrik aus dem Bo­den stampfen, einen leeren Platz auf der Bühne in eine wilde Kneipenszenerie verzaubern und ein motorisiertes Töff­töff aus der Gründerzeit zum Rollen bringen.

"Die Streichholzfrau spielt ja in einer ganz anderen Zeit, das bedeutet, dass man kaum Requisiten aus den vorigen Aufführungen nutzen kann und alles neu denken muss", erzählt Schubert und führt als Beispiel die kleine Streichholz-Fab­rikation vor, die sie gemeinsam mit Kra­cke zusammengestellt hat: "Genau so wurde das damals gemacht – nur eine Nummer größer."

Eine riesige Herausforderung hat sie sich selbst gestellt: "Damals kamen ja die ersten fahrbaren Untersätze auf, und so ein motorisiertes Vehikel wollen wir für das Stück in Gang bringen!"

Frau für alle Fälle

Die Frau für alle Fälle hat immer eine Idee. Mitten in der Szenenprobe kann dem Regisseur plötzlich ein ganz be­stimmtes Utensil vor Augen stehen: "Ilse, hast Du vielleicht...?" Spätestens bei der nächsten Probe – darauf ist Ver­lass – ist das Ding an Ort und Stelle, denn Schubert kann aus nichts fast alles machen und in jedem Alltagsge­genstand das Bühnenpotenzial entde­cken.

"Diese Frau ist der Hammer", schwärmt Gabi Kracke, die der Requisiteurin bei allen Eventualitäten zur Seite steht und auch beim Bühnenbild mit anpackt. "Was die alles weiß und wie sie alles mal so eben aus dem Hut zaubert – Re­spekt!" Dabei braucht Kracke ihr eige­nes Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Seit vielen Jahren gehört sie zum Domfestspiel-Team, ist außerdem bei der Aller Bühne für den Bühnenaufbau zuständig und feierte dort in diesem Jahr sogar ihr eigenes Bühnendebüt.

Enkel ergattert Kinderrolle

Gerade hat Schubert frisch gebackenen Kuchen und Kaffee auf den Tisch ge­stellt. "Das mache ich nicht aus Nettig­keit", scherzt sie. "Ihr seid hier meine Versuchskaninchen." Da es in einer Szene Kaffee und Kuchen gibt, müsse sie ausprobieren, welches Backwerk am wenigsten krümelt und am besten runter­rutscht, ohne alles vollzuschmieren. "In dem Stück wird außerdem gesoffen und geraucht", verrät sie, "es gibt schließlich ein Wirtshaus, und ein Zigarrenmacher ist auch dabei". Der Kuchen findet vollste Zustimmung. Die Zigarren müs­sen zum Glück nicht probiert werden.

Doch das Beste, was Schubert diesmal herbeigeschafft hat, ist kein Gegenstand, sondern ein kleiner Mensch: Ihr fast zehnjähriger Enkelsohn Flemming Blohme war früher oft mit der Oma mit­gefahren und hatte die spannende Dom­festspiel-Atmosphäre hautnah miterlebt. "Da habe ich immer gedacht, wenn ich doch bloß schon 16 Jahre wäre und da mitmachen könnte", erzählt der aufge­weckte Grundschüler, "und als ich hörte, dass es eine Kinderrolle geben würde, haben Mama und ich sofort die Bewerbung geschrieben".

Mutter Chris­tin Blohme hatte wenig Bedenken: "Wir wohnen ja in Intschede, sodass die vie­len Proben logistisch kein Problem sind." Mühelos bestand Flemming das Casting, und jetzt ist er der junge Willi­bert Stendel, der dem Fabrikanten immer dann erscheint, wenn der sich an seine traumatische Kindheit erinnert. "Es gibt eine Szene, wo ich mal wieder Angst vor meinem Vater habe, weil er mich schla­gen will und meine Mutter mich nicht beschützt. Da packe ich meinen Koffer und haue ab, aber meine Mutter verfolgt mich und zerrt mich zurück."

Starker Tobak für eine Kinderseele. "Mama dachte zuerst auch, dass ich da­mit nicht fertig werde, weil ich ein sen­sibler Mensch bin. Aber ich finde das eher interessant und spannend." Und weil beide Eltern mit benachteiligten Kindern arbeiten, wisse ihr Sohn durch­aus, dass es nicht allen so gut gehe wie ihm selbst, ergänzt die Mutter.

Szene geht unter die Haut

Eine Szene geht ihm trotzdem unter die Haut: "Die ist wie in der Geisterbahn. Da werde ich von Willibert angeschrien, weil der denkt, ich wäre echt, und da er­schrecke ich mich jedes Mal wieder."

Zu den Proben komme er gern, nur ein­mal, als er sich nicht gut fühlte, war ihm der Weg schwer gefallen. "Aber als ich da reinkam und die Leute gesehen habe, hatte ich sofort richtig Lust, und die Probe war besonders cool." Auch wenn der junge Mime keine Sprechrolle hat, muss er stets aufmerksam und präsent sein: "Ich muss mir genau merken, wo ich stehen muss und wie ich gucken muss, und was ich auf der Bühne ma­chen soll."

Am Anfang habe er Sorge gehabt, etwas falsch zu machen. "Aber das ist schnell vergangen, als ich gesehen habe, dass auch die Erwachsenen nicht immer alles sofort können."

Wie eine Familie

Auf Flemmings Oma Ilse Schubert und Gabi Kracke kommen jedenfalls auf­regende Zeiten zu: "Dieses Mal wird auf der Bühne ständig etwas umarrangiert, und wir sind immer in Action." Aber das ist genau die Stimmung, die Schubert braucht: "Man wird sofort von diesem Fieber erfasst. Am Anfang denkt man manchmal "Das schaffst du nie", und am Ende ist man total stolz und happy." Auch Kracke ist jedes Mal glücklich, wenn es wieder losgeht: "Das ist wie Nachhausekommen zur Familie. Alle freuen sich, wieder zusammen zu sein, das ist ein einmaliges Gefühl." Schubert und Kracke sind immer mitten im Ge­schehen: "Wir kriegen ja nicht nur einen Ausschnitt mit, sondern sind die ganze Zeit bei den Proben dabei und erleben jedes Detail mit. Das schürt das Fieber."

Beate Ambroselli (l.) und Christin Bokelmann (r.) prüfen, ob die Kostüme der Streichholzfabrik-Arbeiter schon richtig sitzen.
Foto: Susanne Ehrlich

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 28.02.25

Verstärkung für die Schneiderei gesucht 

Die Bremer Modedesignerin Christin Bokelmann ist die neue künstlerische Leitung der Kostümwerkstatt. Warum die Arbeit dort so erfüllend ist. 

von Susanne Ehrlich

Die "Domi"-Familie hat Zuwachs bekom­men: Die Bremer Modedesignerin Christin Bokelmann hat die künstleri­sche Leitung der Kostümwerkstatt über­nommen. Sie bringt nicht nur eine Fülle von Erfahrungen aus ihrem eigenen Modeatelier und aus Präsentations-Auf­trägen internationaler Modelabels, son­dern auch eine langjährige Leidenschaft für die Theater-Kostüm-Bildnerei mit. "Mit Hans König, dem künstlerischen Leiter und Regisseur der Domfestspiele, habe ich in meh­reren Kinder- und Jugendtheaterprojek­ten zusammengearbeitet, und er hat mich für diese Produktion empfohlen."

Im Herbst fuhr Volker Schwennen zu einem ersten Treffen mit ihr: "Wir mussten ja erstmal schauen, ob wir zueinander passen", feixt der Pro­duktionsleiter. Es sei wichtig, dass zwischen den Mit­wirkenden eines solchen Projekts Sym­pathie bestehe. Und Bokelmann bestätigt: "Für mich sind nicht nur in der Theaterarbeit, sondern bei allem was ich tue, Begegnung auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt das A und O." Davon konnte sich Schwennen, für den genau diese Dinge auch das Credo der Domfestspiel-Arbeit sind, bereits überzeugen: "Christin hat oft in sozio-kulturellen Projekten mitge­wirkt und ist es gewohnt, mit Menschen zu arbeiten."

Mode der Gründerjahre

Das Konzept für die Auswahl und Er­stellung der Kostüme entsteht natürlich in Absprache mit der Regie. "Aber wenn sich im Laufe der Proben die Figuren immer weiter entwickeln, kann es immer noch zu Veränderungen kommen", weiß Schwennen. "Wir arbeiten hier ja hauptsächlich mit Laien, und mir ist es wichtig, dass sie sich in ihren Kostümen wohl fühlen. Wenn da also ein Problem auftritt, nehme ich das sehr ernst, und wir suchen gemeinsam nach einer Lösung", verspricht Bokelmann. Noch sei sie allerdings dabei, alle richtig kennen zu lernen. Die Kostüm-Künstlerin, die über Jahre mit Modefotografen großer Labels durch die Welt gereist ist, um ganze Kollektionen ins rechte Licht zu rücken, ist prädesti­niert für die neue Aufgabe: "In meinem eigenen Atelier habe ich zum Beispiel alte Ar­mee-Kleidung und Herren-Garderobe in Damenkleider umgewandelt. Das macht mir großen Spaß, und außerdem liebe ich die Arbeit mit Menschen."

Mit der Mode der Gründerjahre hat sich Bokelmann intensiv auseinandergesetzt: "Das war die Zeit, wo die Damen sich langsam aus dem Korsett befreiten." In dieser Epoche habe sich das Frauenbild ganz neu entwickelt: "Frauen des Bür­gertums gewannen an Freiheit. Sie durf­ten nun auch berufstätig sein, und anders als für die die Frauen der Arbeiterschicht war das ein Privileg und ein Anfang der Emanzipation."

Gemeinsamkeiten verbinden

Auch Schwennen liebt es, solchen Din­gen nachzuspüren: "Bei jeder Produktion muss man sich mit einer Fülle ge­schichtlicher und gesellschaftlicher The­men auseinandersetzen. Das ist im­mer wieder spannend."

Mit Beate Ambroselli, die bis zu den Domfestspielen 2022 den künstlerischen Bereich der Schneiderei geleitet hat, ver­steht sich Christin Bokelmann auf Anhieb präch­tig: Die über 80-Jährige hatte seinerzeit als Modedesign-Studentin der Hochschule für Künste in Bremen dieselbe Professorin, bei der auch Bokelmann zu Beginn ihres Studi­ums noch Kurse belegt hatte: "Das war ganz schön verrückt, dass wir beide bei ihr gelernt haben, obwohl ich so viele Jahre später studiert habe", findet Bo­kelmann, und Ambroselli setzt hinzu: "Als wir feststellten, dass wir sie beide kannten, gab es viel zu erzählen."

Beate Ambroselli ist froh, dass sie nach 27 Jah­ren die Verantwortung für die künstleri­sche Gestaltung der Kostüme abgeben kann: "Ich bin ja damals durch Dieter Jorschik zu den Domfestspielen gekom­men, für den ich auch schon in Jever ge­arbeitet hatte." Er habe dringend fähige Schneiderinnen gebraucht: "Alle hohen Damen und Herren der Stadt wollten gerne mitspielen und natürlich schön aussehen." Eine von ihnen sei Re­gine Meyer-Bolte gewesen, sie habe da­für gesorgt, dass Marga Prange und llse Rippe mit ins Team kamen. "Da waren wir schon drei", erinnert sich Prange. Damals haben wir die Kleider noch auf dem Dachboden der ehemali­gen Volkshochschule gelagert."

Wie ein Bazillus

Im Nä­herinnen-Team habe es über die Jahre viele neue Gesichter gegeben, andere seien ausgeschieden. "Nur Beate und ich sind von Anfang an dabei." Das schweißt zusammen, die beiden Urge­steine der Kostümwerkstatt wurden gute Freundinnen. Ambroselli möchte auch weiterhin Theaterluft atmen, aber nur noch in unterstützender Funktion. Auch Prange hat sich jedesmal vorgenommen, beim nächs­ten Mal kürzer zu treten. "Aber mit den Domfestspielen ist das wie mit einem Bazillus. Wenn der einen überfällt, dann kann man nichts mehr dagegen machen."

Auch Ulrike Specke­ter, Meike Heller und Kathrin Ellmers, sämtlich noch berufstätig, können sich dem Bazillus nicht entziehen und sind mit Feuereifer dabei. Doch Volker Schwennen und sein Kostümwerkstatt-Team hoffen, dass sich noch mehr Menschen infizie­ren: "Wir suchen gelernte Schneiderin­nen, aber auch Hobby-Näherin­nen, die Lust haben, die Domfestspiele zu unterstützen. Das ist mit so viel Ge­meinschaft und Austausch verbunden; man ist Teil des Teams und Teil des Er­folgs." Und natürlich seien auch Männer willkommen, die mit der Nadel umgehen können.

Gerade ist übrigens eine Wagenladung Kostüme aus dem Bremer Theater ein­getroffen: Zeit für die allerersten Anpro­ben der Domfestspiel-Saison 2025.

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 21.02.25

Eine Affäre, die alles verändert

Was passiert, wenn der Ehemann gemeinsam mit der Ehefrau auf der Bühne steht, erfährt das Publikum bei den diesjährigen Domfestspielen. Für welche Bereiche noch überall helfende Hände gesucht werden. 

von Susanne Ehrlich

 Die Domfestspiele 2025 erzählen weder von mittelalterlichem Aberglauben noch von barocker Macht und Pracht. Hans Königs neues Stück ist viel näher in unsere Zeit gerückt und doch bereits ein Stück fast vergessener Stadtgeschichte. "Die Zündholzfrau" spielt im Jahr 1878 und handelt von schillernden Theaterwelten, dekadentem Reichtum und seiner Kehrseite, dem Elend der Arbeiterschaft in den Verdener Fabriken.

Die Geschichte um die unerhörte Affäre eines erfolgreichen Theaterchefs und Unternehmers mit einer Arbeiterin seiner Streichholzfabrik steht im Spannungsfeld zwischen dem aufstrebenden Unternehmertum der Kaiserzeit und dem wachsenden Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft, die in Verden und anderswo beginnt, gegen politische Unterdrückung und Ausbeutung zu rebellieren. Auch Bismarcks Sozialistengesetz, das jeden Widerstand unerbittlich zu bestrafen droht, kann die junge Arbeiterführerin Clara Breden und ihren Bruder Otto nicht davon abhalten, den Widerstand in der Zündholzfabrik zu organisieren und gegen das entrechtende Menschenbild der Klassengesellschaft zu kämpfen.

Es fliegen die Funken

Der Verdener Fabrikbesitzer Willibert Stendel ist zu immer größerem Wohlstand und Einfluss gelangt, obwohl er eigentlich ein Feingeist ist und eine große Leidenschaft für das Theater hegt. Als Nachfolger seines überaus autoritären Vaters leidet er bis heute wegen dessen brutaler Verächtlichkeit unter großen Ängsten und versucht, seine regelmäßigen Panikattacken so gut wie möglich zu verbergen.

Beim Würfelspiel gewinnt Stendel einem Theaterbesitzer seine Spielstätte ab, und gemeinsam mit seiner oberflächlichen und eitlen Verlobten Eugenia fantasiert er fortan von Größe und Ruhm und beginnt, Künstler von Rang zu engagieren – Verden erlebt einen Theaterboom.

Für die Ereignisse in seiner Fabrik bringt er nur noch geringes Interesse auf, bis er die junge Arbeiterin Clara kennenlernt und von ihrem Engagement und ihrer Leidenschaft fasziniert ist. Die schöne junge Frau sprüht Funken – sie verkörpert das genaue Gegenteil seiner berechnenden Verlobten, deren Träume und Visionen sich einzig auf den weiteren sozialen Aufstieg richten. Und plötzlich wird Williberts Leben und Handeln völlig auf den Kopf gestellt. Clara und er beginnen heimlich eine leidenschaftliche Liebesaffäre und lösen damit eine Kette turbulenter Ereignisse aus.

Eifersucht, Machtkämpfe, Intrigen und Verrat sind Zutaten dieser spannenden Geschichte aus einer Zeit, die, wie Hans König es formuliert, "die Weichen zu unserer heutigen Wirtschaft und Gesellschaft gestellt hat".

Ehefrau als Bühnenpartnerin

Der Bremer Schauspieler Andreas Brendel spielt den übersensiblen, verletzlichen und nur nach außen souverän auftretenden Willibert, der sich noch immer nicht richtig vom Einfluss seiner Mutter lösen kann. Die für die Rolle der Klara Breden vorgesehene Schauspielerin Paula Clausen musste aus gesundheitlichen Gründen aus der Produktion ausscheiden. Dadurch entstand die besonders reizvolle Situation, dass Brendel mit seiner eigenen Ehefrau das Bühnen-Liebespaar spielen wird: Vania Brendel, deren Gesicht vielen Zuschauern aus zahlreichen Fernsehproduktionen bekannt sein dürfte, ist für sie eingesprungen: Zuerst ganz gegen den eigenen Stolz und Willen, dann immer leidenschaftlicher verliebt sich Clara in den vielschichtigen, im Grunde seines Herzens so menschlichen und aufrichtigen Unternehmer.

Gebannt haben die ”Domis” Regisseur Hans König (stehend) im vergangenen Herbst bei der Vorbesprechung in Intschede zugehört. Foto: FOCKE STRANGMANN

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 14.02.25

Geldsegen zum Probenstart 

Festspiele von Bürgern für Bürger: Pünktlich zum Start der Proben können sich die "Domis" über Leader-Fördermittel freuen. Auch auf das Publikum wartet eine schöne Überraschung.

von Susanne Ehrlich

Das ist der Startschuss: Volker Schwen­nen, Produktionsleiter der Verdener Domfestspiele 2025, hält die Bewilligung für eine För­derung aus dem europäischen Leader-Programm in den Händen. Damit wurde der sozio-kulturelle Anspruch der Dom­festspiele nun von höchster Stelle ge­würdigt: 90.000 Euro stehen für die Probenarbeit zum neuen Stück "Die Zündholzfrau" zur Verfügung.

Gerade der sozio-kulturelle Aspekt ist neben der hohen Professionalität der Aufführungen, die in jeder Saison über 10.000 Menschen in die Allerstadt locken, das zweite Stand­bein der Domfestspiel-Idee. "Denn das ist ja das Besondere an unserer Produk­tion", betont Schwennen, "dass wir unsere Darstellerinnen und Darsteller ausbilden, sodass sie davon auch selbst einen großen Gewinn haben. Sie bekommen pro­fessionellen Schauspielunterricht, eben­so Unterricht in Tanz und Gesang." Während der Probenarbeit bilde sich eine soziale Gemeinschaft aus, in der je­der Einzelne wichtig und einzigartig sei. "All unsere Darstellerinnen und Darsteller erfahren hier große Wertschätzung."

Bühne stärkt Selbstvertrauen

Vor allem wer noch nie zuvor auf einer Bühne gestanden habe, gewinne bei den Verdener Domfestspielen ein ganz neues Selbstvertrauen. "Die Leute blühen während der Proben richtig auf", hat Schwennen beobachtet. Auch in diesem Jahr sind wieder viele Neue dabei. Berufliche oder familiäre Veränderun­gen seien Gründe, warum manch er­fahrener "Domi" nicht dabei bleiben kön­ne. "Aber eine Begründung hab ich noch niemals gehört, und die heißt: 'Das macht mir keinen Spaß mehr'."

Bereits im Juli 1998 hatte sich Stefan Kaplon, Inspizient der ersten Dom­festspiele und damals noch stellvertre­tender Leiter der Verdener Stadtbibliothek, direkt vor der Premiere gegenüber den Verde­ner Nachrichten begeistert geäußert: "Da agieren hoch motivierte Leute, die mit großem Spaß dabei sind." Diese Beo­bachtung kann Volker Schwennen nur unterstreichen: "Das ist bis heute so. Es ist immer eine große Freude, die Begeisterung der Domi-Ge­meinschaft zu erleben, und sie ist auch ein wesentlicher Faktor für unseren Er­folg."

König hält das Zepter in der Hand

Aus der Taufe gehoben wurden die Domfestspiele 1998 mit dem Stück "Das Geheimnis des Bischofs von Verden" unter Regie von Dieter Jorschik, das im Jahr 2000 wiederholt wurde. 2003 und 2005 folgte "Liebesleid und Mauerstreit" unter Regie von Gabriel Reinking und 2008 der "Raub des Domschatzes" mit Ralph Oehme als Regisseur.

Seit 2011 hat Hans König das Zepter in der Hand. Sein Stück "Der steinerne Mann" hatte alle so begeistert, dass sie eine Fortsetzung der Zusammen­arbeit mit dem Bremer Autor und Regis­seur wünschten. "Das geheime Attentat" (2014), "Der brennende Mönch" (2017) und schließlich "Die rebellische Hexe" (2021) entstanden unter seiner Regie und stammen auch aus seiner Feder.

Seit der Uraufführung des "Bischofs von Verden" haben weit über 1000 Menschen auf und hinter der Bühne den besonderen Charakter der Festspiele mit geprägt. Rund 100.000 Besucher haben die Aufführungen gesehen und über 155 Mitglieder des Domfestspiel-Vereins sorgen auch zwischen den Produk­tionen für Kontinuität.

Gestiegene Kosten

Das neue Stück "Die Zündholzfrau" spielt in der Blütezeit der Industrialisie­rung im Jahr 1878. Es werden über 100 Darsteller auf der Bühne stehen, auch einige professionelle und semi-pro­fessi­onelle Darsteller sind wieder dabei.

Die Stadt Verden beteiligt sich mit 70.000 Euro an der Produktion, die, wie Schwennen schätzt, rund eine halbe Mil­lion Euro kosten wird. "Auch für uns ist ja al­les teurer geworden", umreißt er die fi­nanzielle Situation: "Wir müssen von den Tribünen über Zelte und Toilet­ten­anlagen bis zu den Wagen für Gar­derobe und Requisiten alles mieten. Auch auf diesem Sektor sind die Kosten in den vergangenen Jahren explodiert." Auch neue Kostüme würden benötigt: "Das Stück spielt in der Gründerzeit, die Kostüme aus Mittelalter und Barock müssen also diesmal im Fundus liegen­ bleiben." Zum Glück gebe es eine gute Kooperation mit dem Bremer Theater, dennoch müssten viele Kostü­me und Acces­soires neu geschneidert werden.

Besonders bitter: Durch die Einstufung als "theaterähnlicher Betrieb" könne der Verein die Mehr­wertsteuer für all die Anschaffungen, Mieten und Dienstleis­tungen, die in An­spruch genommen werden müssen, nicht mehr von der Steuer absetzen. "Im Ge­genteil, das gilt sogar für zehn Jahre rückwirkend, sodass wir eine hohe Nachzahlung leisten mussten."

Stabile Eintrittspreise

Doch das kann den Verein nicht entmu­tigen. "Wir haben ja auch noch unsere Sponsoren aus der Wirtschaft, und au­ßerdem hoffen wir natürlich auf ausver­kaufte Tribünen, sodass die Eintritts­preise ein Drittel der Kosten abdecken könnten." Die Kartenpreise sind stabil geblieben, auch wenn das gar nicht so einfach zu be­werkstelligen sei: "Es sol­len ja Fest­spiele von Verdener Bürgern für Verde­ner Bürger sein, und jeder soll sich den Eintritt leisten können."

Das Bühnenensemble ist pünktlich zum Probenstart vollzählig, doch was Kos­tüme, Requisite, Maske, Bühnenaufbau und all die ande­ren vielfältigen Aufga­ben betreffe, könne der Verein noch jede helfende Hand gebrauchen. Deshalb lädt Schwen­nen alle ein, die Lust haben, ein bisschen Domfestspiel-Luft zu schnup­pern: "Wer gerne näht, sich mit dem Schminken oder Frisieren auskennt oder auf dem Platz mit anpacken möchte, ist bei uns herz­lich willkom­men."

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 06.02.25

Stadtführungen in Verden: Geschichten von Hexen und vergangenen Zeiten

Das Verdener Stadtführungsprogramm für 2025 lädt zu spannenden Erlebnissen ein. Teilnehmer können im Zuge der besonderen Themenführungen wieder der Geschichte und den Geheimnissen der Stadt auf den Grund gehen. 

von Elena Erxleben

Von Kirchenführungen über Geschichten von Hexen bis hin zu schaurigen Touren verspricht das neue Stadtführungsprogramm der Verdener Tourist-Information auch für 2025 abwechslungsreiche Erlebnisse. Zu den Highlights des Jahres zählen wieder die sogenannten "besonderen" Themenführungen sowie Führungen zu den Domfestspielen.

Die neue Broschüre enthält eine Übersicht aller öffentlichen Stadtführungen. Touristen und Verdener finden diese in der Tourist-Information, Große Straße 40, lässt Annkathrin Sommer von der Tourist-Information wissen. Verdens Stadtführer laden dazu ein, die Allerstadt durch Geschichten, Kuriositäten und Einblicke in vergangene Epochen von seiner lebendigen und geheimnisvollen Seite zu entdecken. Interessierte können sich im Internet unter www.verden.de/stadtfuehrungen, unter der Rufnummer 0 42 31/ 1 23 45 oder mit einer E-Mail an touristik@verden.de für die Angebote anmelden.
"Besondere" Stadtführungen 2025

Ganzjährig werden jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat die Führungen aus der Reihe der „besonderen Stadtführungen“ angeboten. Besucher können etwa die Geheimnisse Verdener Kirchen, die Geschichten bedeutender Frauen oder die Hintergründe zu alten Straßennamen entdecken, heißt es in der Ankündigung. Die Buchung der Themenführungen ist für Kleingruppen, Paare und auch für Einzelpersonen möglich. Die Teilnahme kostet jeweils neuen Euro, ermäßigt sechs Euro. Alle Führungen starten um 15 Uhr.

Kreiszeitung, 22.10.24

Domfestspiele 2025: Das erste Treffen für „Die Zündholzfrau“ weckt Vorfreude bei den Darstellern.

Verden – Noch 276 Tage bis zur Premiere von „Die Zündholzfrau“ der Domfestspiele, die vom 24. Juli bis 9. August stattfinden werden. Am Sonntag hat der Vorsitzende des Festspielvereins, Ralf Böse, erstmals alle aktiven „Domis“ in der Probenhalle in Intschede begrüßt. Die Vorfreude auf das Spiel ist wieder da, was auch der Autor und Regisseur Hans König betonte.

Christel Niemann

Von ihm bekamen die zukünftigen Festspieler das Projekt im Detail vorgestellt. Auch die Abläufe der nächsten Monate wurden erläutert und die Rollenverteilung bekannt gegeben. Die Proben sollen im Februar beginnen. „Ich selbst freue mich ebenso auf den Probenstart. Auch wenn ich die Domfestspiele bereits zum fünften Mal inszeniere, ist es jedes Mal eine neue Herausforderung, ein Stück auf die Freilichtbühne am Dom zu bringen“, so König. Sein Ziel: Er möchte den Theaterstoff derart umsetzen, dass er sowohl Unterhaltungswert als auch Tiefgang besitzt. König: „Es soll ein großes Spektakel werden, das die ganze inhaltliche Wucht natürlich auch über die vielen Menschen transportiert, die das Stück auf die Freilichtbühne bringen.“

Darsteller gibt es diesmal so viele wie noch in keiner Festspielzeit. Gelistet sind die Namen von 105 Akteuren – 80 Frauen und 25 Männer. Und alle fiebern dem Start der Proben entgegen. Traditionell wird das Laien-Ensemble durch mehrere Schauspielprofis verstärkt. Franziska Mencz, Bernd Maas und Uwe Pekau haben bereits mehrmals mitgewirkt, während Paula Clausen und Andreas Prendel erstmals die Profiriege ergänzen.
Vorverkauf startet Ende November

König räumt ein, dass auch er am liebsten gleich loslegen würde. „,Die rebellische Hexe' im Festspieljahr 2022 haben wir allein in dieser Halle 97 Mal geprobt. Inspirativ habe ich mir kürzlich die Spielfläche am Dom noch einmal angesehen. Irgendwie war es seltsam, vor der steinernen Kulisse des Doms zu stehen ohne das ganze Drumherum, das im Aufführungszeitraum die Atmosphäre ausmacht. Da fragt man sich schon, wie es werden soll.“

Erfreut zeigte sich der künstlerische Leiter noch darüber, dass neben Hiltrud Stampa-Wrigge (künstlerisches Betriebsbüro), Birgit Scheibe (Regieassistenz) und Volker Schwennen (Management, Produktionsleitung) auch Hennig Diers wieder seine Beteiligung zugesagt hat. König: „Diers wird zum zweiten Mal das Bühnenbild verantworten. Während der letzten Domfestspiele haben wir sehr gut zusammengearbeitet. Wir zwei, das passt, und ich erinnere mich an gutes und konstruktives Miteinander. Diers ist ein guter Handwerker, aber vor allem ist er ein wunderbarer Künstler, was man auch in seinen Bühnenbildern spürt.“

Wie Volker Schwennen informiert, wird der Kartenvorverkauf Ende November über Nordwest-Ticket starten. Außerdem werden noch Mitwirkende für den Bereich der Werkstätten, für Aufbau, Kostüme und Maske gesucht. Wer also Lust auf spannende Wochen im Sommer hat und sich in dem neuen Stück engagieren möchte, kann sich bereits jetzt melden. 

WESER KURIER, 21.10.24

Im neuen Stück geht es um einen Zündholz-Fabrikanten

Eine Zündholzfabrik und eine Gruppe von Arbeitern, die sich gegen ihren Vorgesetzten auflehnen, stehen bei den Domfestspielen 2025 im Mittelpunkt. Die Vorbereitungen für das Stück laufen bereits auf Hochtouren. 

von Susanne Ehrlich

Endlich ist es wieder so weit: Das Domfest-Ensemble und seine riesige Fangemeinde können anfangen, sich auf den Sommer 2025 zu freuen. Beim Auftakttreffen in der Probenhalle des Sportvereins in Intschede gab es nicht nur ein freudiges Wiedersehen mit den vertrauten Domis, sondern auch jede Menge neue Gesichter, die sich ganz offensichtlich sofort mit dem Domfestspiel-Virus infizierten. Man sah den Funken direkt überspringen.

Zwischen der "Rebellischen Hexe" und dem neuen Stück "Die Zündholzfrau" liegt ein Vierteljahrtausend Stadtgeschichte. Es dreht sich um den Verdener Unternehmer Willibert Stendel, Inhaber einer Zündholz- und einer Tütenfabrik sowie Theater- und Verlagsinhaber. Es handelt im Jahr 1878 auf dem Höhepunkt der Industrialisierung und wird vom 25. Juli bis 9. August 2025 über die Bühne gehen.

Rund 150 Mitwirkende

Nicht weniger als 80 Frauen und 35 Männer werden in diesem Jahr mitspielen. Ungefähr 45 Prozent von ihnen sind zum ersten Mal dabei. Hinzu kommen die Menschen hinter der Bühne für Auf- und Abbau, Bühnentechnik und Requisite, Kostümschneiderei, Maske und Frisuren. So kommt die Domi-Gemeinde in diesem Jahr auf die stolze Zahl von mindestens 150 Mitwirkenden.
"Es ist eine tolle Ehre, das mit euch machen zu dürfen", ruft Autor und Regisseur Hans König seinem Ensemble zu, über dessen stattliche Größe er sich gar keine Sorgen macht: "Wir hatten gar nicht die Absicht, so viel mehr Aktive zu haben als 2022. Das ist einfach passiert, weil wir gar keine zahlenmäßige Beschränkung für die Bewerbungen hatten." Dass so viele Menschen dabei sein wollen, sei einfach großartig, und genug Platz gebe es schließlich auf der Freilichtbühne.
Beim Auftakttreffen erklärt Regisseur Hans König, was die Beteiligten in den kommenden Monaten erwartet.

"Alle sind gleich wichtig"

Die Rollenverteilung braucht ihre Zeit. Jeder und jede der Anwesenden wird namentlich aufgerufen. "Alle sind gleich wichtig", heißt die Devise der Domfestpiel-Leitung. In den Hauptrollen agieren der Bremer Schauspieler Andreas Brendel als Willibald und seine Kollegin Paula Clausen als Arbeiterin Clara Breden, die gemeinsam mit ihrem Bruder den Protest der Arbeiterschaft anführt und sich ganz wider Willen in den Unternehmer verliebt. Franziska Mencz spielt die Rolle der Eugenia, der überehrgeizigen Verlobten Willibalds. Bernd Maas ist als Claras Bruder Otto ein engagierter Arbeiterführer. Auch Jörg Outzen, Björn Emigholz, Uwe Pekau, Jessica Coels und viele andere bekannte Gesichter sind wieder dabei, und als allerjüngster Domi steht Ilse Schuberts neunjähriger Enkel Flemming Blohme auf der Bühne, der in der Rückblende Willibald Stendel als Kind verkörpert.

Auch diesmal gibt es wieder Musik und Tanz. Eine Reihe junger Frauen muss eine Tanzchoreografie einstudieren, und nicht nur das: "Ihr müsst alle Walzer tanzen", kündigt König an, und das gesamte Ensemble wird auch wieder singen.

Suche nach helfenden Händen

Gar nicht genug kriegen können Hans König und Produktionsleiter Volker Schwennen vom Backstage-Team: "Wir können noch viele weitere helfende Hände gebrauchen", lautet Schwennens Appell. Alle, die Lust haben, hinter der Bühne mitzuwirken, sollen sich rasch über den Button "Mitmachen" auf der Internetseite der Domfestspiele melden.

Mit dem Bühnenbild hat es dieses Mal eine besondere Bewandtnis. Bühnenbildner Henning Diers zeigt ein Modell der Bühne und erklärt: "Die Fabrik und der Salon Willibald Stendels werden erst im Laufe des Stückes immer mehr konkretisiert und bemöbelt." Als Beispiele zeigt er Fensterrahmen und andere Details, die er ins Modell einfügt: "Wir erleben, dass Dinge nicht einfach so da sind, sondern von Menschen gemacht werden." Einige Elemente sollen vor den Augen des Publikums entstehen und an ihren Platz gebracht werden. Es gebe auch eine sehr hohe Bühnenebene, auf ihr spielen die Akteure direkt vor dem Publikum. Ob denn dann überhaupt genug Platz für Pferde sei, wird er gefragt. "Wir haben diesmal keine Pferde, sondern nur ein Automobil", antwortet Diers.

Besondere Atmosphäre

Nun ruft König alle Mitwirkenden in die Mitte. Das Lied "Die Gedanken sind frei" wird im Stück eine wichtige Rolle spielen. Es wird gemeinsam angestimmt. Nachdenklich zögernd, dann laut und kämpferisch – kurz wird der inhaltliche Zusammenhang erklärt, und schon sind alle mitten drin. "Man merkt sofort den Spirit", freut sich Requisiteurin Ilse Schubert. "Diese Aufregung, diese besondere Atmosphäre – die Vorfreude fängt schon an." Auch Regieassistentin Birgit Scheibe ist begeistert: "Man merkt, dass sie alle große Lust haben. Sie brennen jetzt schon, obwohl die Proben erst im Februar beginnen."

Nun kommt eine Spielszene: Alle Mitwirkenden müssen den Saal verlassen und ihn dann wieder so betreten, als sähen sie ihn zum ersten Mal, als sei er ein Gefängnis und berge etwas Bedrohliches. Und all die vielen Menschen lösen nun die Aufgabe auf ihre eigene persönliche Art, lassen ahnen, welch große charakterliche Vielfalt, Kreativität und Spielfreude nun endlich wieder zum Einsatz kommen wird. Und als nun noch einmal das Lied von der Gedankenfreiheit erklingt, sieht man sie sich alle miteinander an den Händen fassen.

Freut sich auf die Festspielsaison: Volker Schwennen. Foto: Vasil Dinev

WESER KURIER / VERDENER NACHRICHTEN, 08.04.24

Der Verein, der Großes möglich macht 

Die Verdener Domfestspiele erfreuen sich nicht nur in der Allerstadt großer Beliebtheit. Dass das Spektakel regelmäßig unzählige Menschen anzieht, ist auch dem Verein dahinter zu verdanken.

von Susanne Ehrlich

Die Domfestspiele sind ein historisches Theaterspektakel von Verdener Bürgern für Verdener Bürger. Ebenso wichtig wie die Akteure auf und hinter der Bühne sind deshalb die 158 Mitglieder des Vereins Verdener Domfestspiele, die mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung dafür sorgen, dass es in Verden seit 1998 ein kulturelles Highlight gibt, das weit über die Region hinaus strahlt.

Im Jahr 2020 wurde der Verdener Versicherungsfachmann Ralf Böse zum neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt. Seitdem ist der Verein um mehr als 50 neue Mitglieder angewachsen.
Mitgliederschub durch "Rebellische Hexe"

"Schon wenn wir uns das erste Mal treffen, um die Rollen zu vergeben und das Stück kennenzulernen, verteile ich die Mitgliedsanträge." 2022 habe es einen richtigen Mitgliederschub gegeben. "Viele Mitwirkende hatten nach der 'Rebellischen Hexe' das Bedürfnis, dabei zu bleiben und weiter Kontakt zu halten", weiß Böse. "Der Begriff von der 'Domfestspiel-Familie' beschreibt wohl am besten diesen Zusammenhalt."

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Die Bremer Modedesignerin Christin Bokelmann ist die neue künstlerische Leitung der Kostümwerkstatt. Warum die Arbeit dort so erfüllend ist.

Dabei bilden sich immer wieder Gruppen, die sich gut verstehen, nicht nur unter den Darstellern und Darstellerinnen, sondern auch in den verschiedenen Gewerken wie Bühnenbau und Bühnenbild, Kostümwerkstatt oder Requisite. "Sie treffen sich auch zwischen den Produktionen, haben Stammtische oder Kaffeerunden." Doch auch der Verein selbst sorge für Kontinuität, sodass alle in Kontakt bleiben, sich austauschen und auch an der Entstehung der nächsten Produktion teilhaben können.

"Nach den Domfestspielen ist vor den Domfestspielen", weiß Böse. Das erste Halbjahr danach diene der Nachbereitung, der Manöverkritik, der genauen Prüfung der Finanzen und Abläufe, der Frage, ob es dabei Dinge gebe, die noch optimiert werden können. Dabei werden auch die Beobachtungen der Vereinsmitglieder sehr ernst genommen. In der Folgezeit wird dann bereits über neue Inhalte nachgedacht. "Die eigentliche Arbeit für die Produktion beginnt anderthalb Jahre vor der Premiere", erklärt Böse. "Dann entsteht bereits das Buch für das Stück, die Kosten müssen kalkuliert werden. Rund ein Jahr vor der Premiere laufen die Castings fürs neue Ensemble."
2014 Blut geleckt

Böse weiß selbst am besten, wie einen das Domfestspiel-Virus packen kann: "Ich habe 2014 beim 'Geheimen Attentat' zum ersten Mal auf der Bühne gestanden, und seitdem möchte ich das Gefühl nicht mehr missen." Auch diesmal will er den Spagat zwischen Engagement im Verein und im Ensemble auf sich nehmen. Er spielt den Theaterdirektor Lenz, der sein Theater beim Würfelspiel an Willibert Stendel verliert.

Als 2020 der Vorstandswechsel anstand, wurde Böse gefragt, ob er bereit sei, den Vorsitz zu übernehmen. "Zuerst hatte ich ordentlich Manschetten, weil ich ja nicht wusste, was da auf mich zukommt. Aber als sich der Vorstand konstituiert hatte, habe ich schnell gemerkt, was für ein tolles Team wir sind, und wie die Arbeit sich gerecht auf alle Schultern verteilt."

Was passiert, wenn der Ehemann gemeinsam mit der Ehefrau auf der Bühne steht, erfährt das Publikum bei den diesjährigen Domfestspielen. Für welche Bereiche noch überall helfende Hände gesucht werden.

Regisseur und Autor Hans König, als zweiter Vorsitzender Teil des Vereins, teilt sich die Verantwortung mit Böse sowie mit Schriftführerin Janina Tessloff und Kassenwartin Stefanie Wegener. Als Produktionsleiter ist Volker Schwennen zwar nicht im Vorstand, aber immer mit dabei, ebenso wie Regieassistentin Birgit Scheibe und Hiltrud Stampa-Wrigge als Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros. "Das ist eine wunderbare Truppe", schwärmt Böse.

Kernprinzip: Flache Hierarchie

Wesentliches Prinzip des Vorstands ist eine möglichst flache Hierarchie. Ein Beispiel für die Übertragung von Verantwortung sei 2022 die finanzielle Mitverwaltung der einzelnen Gewerke gewesen. "Wir haben gesagt, 'Bestellt einfach, was ihr braucht', und wir sind davon ausgegangen, dass jeder damit gewissenhaft umgehen würde." Und das habe sich auch aufs Erfreulichste bestätigt. Ein weiteres Prinzip sei die Einbeziehung aller in sämtliche Angelegenheiten des Vereins und der jeweiligen Produktion. "Wir halten alle Mitwirkenden ebenso wie unsere Mitglieder – da gibt es eine große Schnittmenge – jederzeit auf dem neuesten Stand der Informationen, damit sich alle dazugehörig fühlen."

Auch zwischen den Domfestspielen gebe es eine Reihe spannender Möglichkeiten, sich einzubringen. "Wir beteiligen uns an den Ferienprogrammen der Stadt Verden", zählt Böse auf, "unsere Mitglieder helfen dann bei der Betreuung der Kinder, bei Kulisse und Kostümen. Da sind schon tolle kleine Stücke entstanden. Die Kinder sind begeistert dabei, und es gibt eine tolle Energie zwischen ihnen und den ,Domis'." Zur 50-Jahresfeier der Gebietsreform habe das Team mit "Domfestspiele to go" ein eigenes Format entwickelt, und auch viele andere Theaterprojekte wie beispielsweise die Allerbühne oder das Theater im Krug in Kirchlinteln (TiK) seien von aktiven ,Domis' ins Leben gerufen worden.

"Der Verein engagiert sich in kulturellen und sozialen Projekten und Initiativen. Wir arbeiten mit dem Domherrenhaus zusammen, es gibt die Stadtführungen zu den jeweiligen Themen der Stücke, und wir halten enge Verbindung zu allen kulturellen Institutionen der Stadt." Und der Mitgliedsbeitrag? "Das sind für Privatleute 24 Euro im Jahr und für Firmen 120 Euro." Dafür gibt es die Chance auf eine spannende Reise von den ersten Ideen bis zur Umsetzung auf der großen Freilichtbühne im Schatten des majestätischen Verdener Domes.